Praxiskliniken

Das fünfte Rad am Wagen der Selbstverwaltung

Seit 28 Jahren versucht der Gesetzgeber, Praxiskliniken zu fördern. Die Bilanz ist bescheiden, das Engagement des BMG überschaubar.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Praxiskliniken und die Politik: Die Zahnräder greifen bisher nicht ineinander.

Praxiskliniken und die Politik: Die Zahnräder greifen bisher nicht ineinander.

© TSUNG-LIN WU - Fotolia / stock.adobe.com

BERLIN. Praxiskliniken sind die ungewollten Kinder des Gesetzgebers. Die Forderung "ambulant vor stationär" gehört zwar zum Repertoire vieler Reden auf Gesundheitskongressen, doch bei Praxiskliniken schaut der Gesetzgeber zu – seit 1988.

Damals wollte die von Union und FDP getragene Bundesregierung mit dem Gesundheitsreformgesetz unter Sozialminister Norbert Blüm (CDU) die "nahtlose ambulante und stationäre Behandlung der Versicherten gewährleisten" und schuf den Paragrafen 115 Absatz 1 SGB V. Doch die Regelung hat den Haken, dass Praxiskliniken dort nicht selbst als Vertragspartner vorgesehen sind. Sie sind nur Regelungsgegenstand eines dreiseitigen Vertrags von Krankenkassen, KVen und Krankenhausgesellschaft.

Angesichts dieser Rechtsvorgabe konnten sich Praxiskliniken bis heute nicht flächendeckend durchsetzen. Der Rechtsanwalt Gerhard Schulte, von 1985 bis 1990 Leiter der Gruppe Sozial- und Gesellschaftspolitik im Bundeskanzleramt, resümiert rückblickend, beim fehlenden Wettbewerb an der Sektorengrenze habe man es mit einer "partiellen Kombination von Politik- und Systemversagen zu tun". Schulte weiter: "Verantwortliche in Bund und Ländern blockieren sich gegenseitig. Die Vertreter von Krankenkassen, KVen und Krankenhausgesellschaften fühlen sich recht wohl im bestehenden System."

Die Bundesregierung bestätigt in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken im Bundestag unfreiwillig diese Bilanz. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) schreibt, man wolle einen "notwendigen Anpassungsbedarf der rechtlichen Rahmenbedingungen (...) auch in der nächsten Legislatur prüfen".

Die Regierung gibt sich in ihren Antworten überwiegend kenntnisfrei. So etwa bei der Frage nach der Zahl der Praxiskliniken, der kurzstationären Betten oder Behandlungsfälle. Zur Begründung verweist das BMG ausgerechnet auf den "Wettbewerbsbedanken", mit dem eine Pflicht zur Veröffentlichung der Vertragsinhalte oder Registrierung der Verträge nicht vereinbar" sei. Wettbewerb, den der Gesetzgeber nie in Gang gesetzt hat.

Kurios wirkt die Antwort, ob Kassen, Deutsche Krankenhausgesellschaft oder KBV denn eine eigentlich vorgesehene Rahmenempfehlung zu Paragraf 115 Absatz 5 SGB V formuliert hätten: Das Ministerium verweist als Quelle dazu auf eine Kassenpublikation aus dem Jahr 1991.

Mit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nahm die Regierung 2009 einen neuen Anlauf und sah in Paragraf 122 SGB V vor, dass Kassen und die Vertretung der Praxiskliniken einen Katalog von stationsersetzenden Leistungen vereinbaren sollten. Acht Jahre später weiß das BMG nur zu berichten, dass die Verhandlungen über einen Rahmenvertrag "ruhen".

Bis dato gibt es in sieben KV-Bezirken die im Gesetz geforderten dreiseitigen Verträge zur Förderung der Praxiskliniken. "Sie sind im Text identisch und stellen Verträge zu Lasten Dritter dar", konstatierte die Deutsche Praxisklinikgesellschaft (PKG) anlässlich einer Stellungnahme zum Krankenhausstruktur-Gesetz im Jahr 2015. Als Auflage ist unter anderem vorgesehen, dass die betreffende Praxisklinik eine Zulassung als Krankenhaus beantragen muss – doch diese Anträge würden "konsequent abgelehnt". "Damit ist die kurzstationäre Versorgung in der Praxisklinik, wie sie seit 1989 vom Gesetzgeber gefordert wird, im Schachmatt", schreibt die PKG.

Die Linken im Bundestag ätzen in ihrer Reaktion auf die BMG-Antworten, die Juristen im BMG hätten "eine ganz eigene Art von Rechtsvorschrift entwickelt": Der Gesundheitspolitiker Harald Weinberg, Sprecher für Krankenhauspolitik und Gesundheitsökonomie seiner Fraktion, sagte: "Muss-Regelungen, die –  da ohne Frist –  Vorschlagscharakter haben, und an die sich die Adressaten halten können, wenn sie lustig sind. Wenn nicht, hat das auch keine Konsequenzen. Aus seiner Sicht gibt das Ministerium in seiner Antwort zu, "dass Wettbewerb zu Intransparenz führt, und eben gerade nicht zu mehr Kooperation über die Sektorengrenze hinweg".

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