Hessen

Mit dem Triage-Tresen gegen Engpässe in der Notfallambulanz

Über einen gemeinsamen Tresen und Partnerpraxen, die Patienten ohne Termin annehmen, will die KV Hessen die Notfallambulanzen entlasten. Seit Anfang Oktober läuft ein entsprechendes Modellprojekt am Klinikum Frankfurt Höchst.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Erste Anlaufstelle Notaufnahme: In Hessen soll ein Projekt zeigen, ob der gemeinsame Triage-Tresen von Klinik und Ärztlichem Bereitschaftsdienst wirkt.

Erste Anlaufstelle Notaufnahme: In Hessen soll ein Projekt zeigen, ob der gemeinsame Triage-Tresen von Klinik und Ärztlichem Bereitschaftsdienst wirkt.

© Holger Hollemann / dpa

FRANKFURT/MAIN. Rund 50.000 Patienten suchen pro Jahr eigenständig die Zentrale Notaufnahme am Klinikum Frankfurt Höchst auf. Ein Großteil dieser Patienten könne nach einer kurzen ambulanten Intervention wieder nach Hause gehen und benötige gar keine stationären Strukturen, berichtete Klinik-Geschäftsführerin Dr. Dorothea Dreizehnter bei der Vorstellung des neuen integrierten Notfallzentrums.

Das Klinikum im Frankfurter Westen, die KV Hessen und das hessische Gesundheitsministerium haben deshalb nun die koordinierte Inanspruchnahme ambulanter und stationärer Notfälle gestartet – als Modellprojekt, das sich später auch auf andere hessische Kliniken übertragen lassen soll. Das Ministerium fördert das Projekt über zwei Jahre.

"Ich glaube aber, dass wir viel früher wissen, wie es läuft", zeigte sich der KV-Vorstandsvize Dr. Eckhard Starke zuversichtlich. "Ich denke, dass wir das Modell dann schon auf weitere Kliniken ausweiten können." Für Hessens Gesundheitsminister Stefan Grüttner (CDU) ist es vor allem die Chance, die Sektorengrenzen zu überwinden: "Damit soll eine schnellere und passgenauere Behandlung unterschiedlichster Fälle durch eine bessere Zuordnung möglich werden."

Triage durch geschulte Pflegekräfte

Die Idee folgt dem Konzept, das auch der Sachverständigenrat für Gesundheit für die Reform der Notfallversorgung vorgeschlagen und befürwortet hat: Er plädiert darin für Notfallzentren an Krankenhäusern, die von den KVen betrieben werden sollen (wir berichteten). Doch während das entsprechende Gutachten des Sachverständigenrates erst im April 2018 offiziell vorgestellt werden soll, läuft das Projekt in Hessen bereits seit dem 1. Oktober. Kernelement ist die gemeinsame Anmeldung und der gemeinsame Tresen von Ärztlichem Bereitschaftsdienst (ÄBD) und Klinikum. Dazu wurde die ÄBD-Zentrale direkt ins Klinikum Höchst integriert.

Geschäftsführerin Dreizehnter: "Wir sehen in zunehmendem Maße, dass die Patienten nicht mehr wissen, in welchen Versorgungsbereich sie gehören." Am Tresen findet daher eine Triage durch speziell geschulte Pflegekräfte statt. Hierzu haben Vertrags- und Klinikärzte gemeinsam einen Leitfaden entwickelt, es kommt aber auch das Manchester-Triage-System zum Einsatz. Dabei betonen die Initiatoren, dass es sich hier nicht um ein von der Politik auferlegtes Konzept handelt, sondern das Modell aus der Versorgungsebene heraus gemeinsam mit Patientenvertretern entwickelt wurde.

KV setzt auf Freiwilligkeit

Die Mitarbeiter am Tresen leiten die Patienten dann weiter: Ambulante Fälle werden außerhalb der Sprechstundenzeiten der Vertragsärzte, also abends, an Feiertagen und Wochenenden, direkt am Klinikum in eigenen Behandlungszimmern des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes versorgt. Dieser hat aber eben nicht rund um die Uhr am Klinikum geöffnet. Deshalb werden die ambulanten Patienten zu gewöhnlichen Praxiszeiten an sogenannte Partnerpraxen vermittelt.

Hier setzt die KV auf Freiwilligkeit. Allein beim ersten Aufruf hätten sich hessenweit rund 250 Praxen gemeldet, die bereit seien, mitzumachen – und zwar ohne, dass die KV zusätzliches Honorar angeboten habe, berichtete Starke, darunter auch Facharztpraxen. Für den Standort Höchst stehen bis zu acht Praxen bereit. Die Partnerpraxen verpflichten sich, die Patienten ohne Termin am selben Tag zu behandeln. Dazu erhalten die Patienten vom Tresen-Mitarbeiter am Klinikum eine Praxisadresse, bei der sie sich melden können. "Das sind mal zwei Patienten pro Tag", schätzt Starke den Aufwand für die Partnerpraxen ab. Bei 40.000 Patienten, die pro Tag ohne Termin in der ambulanten Versorgung in Hessen in die Praxen kämen, aus seiner Sicht kein Problem.

Stationäre Fälle werden hingegen gleich in der Klinik versorgt. Bei unklaren Fällen können die Tresenmitarbeiter und auch die Ärzte des ÄZB Spezialisten des Klinikums hinzuziehen. Neben der Evaluation haben sich die Projektpartner zu regelmäßigen innerärztlichen Qualitätszirkeln verpflichtet, berichtet Dreizehnter. Sie zeigt sich davon überzeugt, dass sich insgesamt die Wartezeiten für die Patienten verkürzen werden.

Vergütungszuschlag für Praxen?

Wie es nach der Anschubfinanzierung durch das hessische Gesundheitsministerium weitergeht, ist noch nicht klar. Starke ist aber überzeugt, dass man sich einigen werde, wie dann der gemeinsame Tresen finanziert wird. Für die Ärzte in den Partnerpraxen könnte er sich künftig einen Vergütungszuschlag vorstellen. Sicher sei dies aber noch nicht. Starke: "Es wird da eine Reform geben müssen."

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