Zwei statt vier

Hausärzte-Notstand mit Ansage

Hausarztdichte von 108 Prozent, also alles in Butter? Nicht in Dörverden in Niedersachsen. Immer mehr Patienten werden sich dort ab 2018 bei den zwei verbliebenen Hausärzten drängeln, denn: die Hälfte der Ärzte schließt ihre Praxis auf einmal.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Landgemeinde mit Strukturproblemen: In Dörverden spitzt sich der Hausarztmangel zu.

Landgemeinde mit Strukturproblemen: In Dörverden spitzt sich der Hausarztmangel zu.

© PhotographyByMK / stock.adobe.com

DÖRVERDEN. Eigentlich sollte alles in guter Ordnung sein: Der KV Bezirk Verden in Niedersachsen hat eine Hausarztdichte von 108 Prozent – das klingt nicht nach Hausärztemangel. Aber trotzdem liegt im Bezirk eine Gemeinde, deren 9000 Bewohner nach 2018 womöglich keinen Hausarzt mehr haben werden.

Die Rede ist von der Gemeinde Dörverden mit ihren zehn Ortschaften, nahe Bremen zwischen den beiden Flüssen Weser und Aller gelegen. Eine niedersächsische Landgemeinde, wie sie im Buche steht – allerdings: kurz vor dem Versorgungs-Gau.

Zwei von vier Hausärzten hören auf

Bis vor einem Jahr arbeiteten noch fünf Hausärzte in der Gemeinde. Dann schloss eine Hausärztin das Sprechzimmer ihrer Einzelpraxis aus Altersgründen zu. 2500 Patienten suchten einen neuen Hausarzt.

Sie verteilten sich auf zwei Praxen mit je zwei Ärzten: der Gemeinschaftspraxis Rehnert/Gorski und der Praxis des Ehepaares Gente. Zum Jahresende geht aber auch das Ärzte-Paar in den Ruhestand – und damit werden 2000 weitere Patienten einen neuen Hausarzt suchen.

Viele von ihnen dürften bald vor der Tür der Gemeinschaftspraxis von Klaus Rehnert und Dr. Friedhelm Gorski stehen. Den letzten beiden verbliebenen Hausärzten.

Ihrerseits beides graue Häupter von 73 und 69 Jahren – und voll im Dienst. Sie sind eng mit dem Ort verwachsen. Seit Anfang der 80er Jahre versorgen sie dort ihre Patienten "und wir kennen viele Familien gut", sagt Rehnert der "Ärzte Zeitung". Unterstützt werden die beiden Ärzte von einer Assistentin, die bis zur Jahresmitte 2018 ihre Facharztprüfung abgelegt haben wird.

Seit Kurzem ist also die ohnehin volle Praxis "noch voller, so voll, wie eine Bahnhofshalle", sagt Rehnert. "Zu unserer Praxis gehören außerdem zwei Altenheime mit rund 200 Bewohnern." Mit dem Aus der Praxis Gente dürfte die Versorgung 2018 vollends zu Boden gehen.

Dabei liegt die Kreisstadt Verden nur 15 Autominuten entfernt. Aber auch eine Mitversorgung durch Verdener Ärzte dürfte schwierig werden, wie Michael Schmitz, Geschäftsführer der KV-Bezirksstelle Verden sagt. "Auch in Verden ist die Lage angespannt. Eben erst hat eine Praxis geschlossen und eine weitere Schließung könnte Verden nicht vertragen."

Fördergeld auch für Anstellungen

Was tun? Erstmals lobt die KV aus ihrem Strukturfonds zwei Mal bis zu 50.000 Euro aus für Anschaffungen für die Praxis, obwohl der Versorgungsbezirk, in dem Dörverden liegt, theoretisch keinen Mangel leidet. "Auch die Anstellung eines Hausarztes ist förderungswürdig", versichert die KV in einem Schreiben.

"Das ist ein erster kleiner Erfolg für uns", sagt Bürgermeister Alexander von Seggern der "Ärzte Zeitung". Denn eigentlich fördert die KV nur Praxen, die in unterversorgten Bezirken liegen.

Allerdings weiß auch von Seggern: Wer für Geld kommt, geht auch für Geld. "Wir brauchen Ärztinnen und Ärzte, die es sich vorstellen können, gerne in unserer Gemeinde nicht nur zu arbeiten, sondern auch zu leben."

Immerhin wird zum 1. Januar in Eystrup, einem Ort in der Nachbargemeinde, eine Praxis neu eröffnen und die Assistentin von Gorski und Rehnert wird 2018 ihre Zulassung erhalten. Aber wird sie bleiben? Würde sie die Praxis übernehmen?

"Unser Praxishaus hat Platz für vier Ärzte", sagt Rehnert, "und vier Ärzte brauchen wir hier auch." Ob die jetzige Assistentin bleiben wird, muss sich zeigen. Immerhin schreibt die KV: "Der Erhalt der Praxissitze hat für die KVN absolute Priorität."

Bis sich die Lage entspannt, wollen die beiden Senior-Hausärzte den Karren weiter ziehen. "Wir wollen so lange bleiben, bis neue Kollegen hier anfangen", sagt Rehnert. "Vielleicht noch ein Jahr."

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Hausärztemangel: Fron und Freude

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