Case Management

Koordination gefragt – ein Fall für MFA

Die neue Leitlinie "Multimorbidität" bricht indirekt eine Lanze fürs Case Management. Davon profitieren nicht nur Arzt und Patient.

Veröffentlicht:

Multimorbiden Patienten lässt sich nicht allein durch eine spezielle Therapie helfen. Sie benötigen ein ganzes Versorgungsnetz und haben einen hohen Bedarf an sprechender Medizin.

Das hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) mit sehr konkreten Beispielen in ihre Leitlinie "Multimorbidität" einfließen lassen. Ungewöhnlich für ein Leitlinienwerk gibt sie den Praxen einige organisatorische Tipps mit auf den Weg, die – auch wenn die DEGAM es nicht so benennt – durchaus auf ein Case Management und mehr Delegation an Medizinische Fachangestellte (MFA) hinauslaufen.

Denn – auch dies wird in der Leitlinie sehr deutlich vermittelt – eine patientenzentrierte Versorgung bei Multimorbidität setzt ausreichend Zeit für eine intensive Arzt-Patienten-Kommunikation voraus. Zeit, die im Praxisalltag leider oft fehlt.

Praktisch ließe sich das Arzt-unterstützende Case Management über mehrere Wege umsetzen: Zum einen können Hausarztpraxen auf bereits ausgebildete VERAH (Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis) oder NäPA (nichtärztliche Praxisassistentin) zurückgreifen. Oder aber die Chance nutzen, hier eine Fachangestellte weiterzuqualifizieren.

Weiterbildung wirkt doppelt

Der Vorteil in der Zusatzqualifikation liegt darin, dass sich die Kosten für die Zusatzweiterbildung durch besser vergütete Besuchsziffern (GOP 03062 und Besuchszuschlag 03064) und die Strukturpauschale für die NäPA (GOP 03060 und 03061) im EBM irgendwann nicht nur amortisieren und dann tatsächlich auch zu Mehreinnahmen für die Mehrleistung führen könnten.

Es erhöht zudem die Motivation der MFA, wenn sie zusätzlich zum neuen Aufgabengebiet eine Weiterbildung erhält. Und ob nun VERAH- oder NäPA-Curriculum, die Medizinischen Fachangestellten werden auch noch einmal gezielt auf das Case Management, vernetztes Arbeiten und die Monitoringgespräche mit den Patienten vorbereitet.

Der andere Weg für Praxen mit schmalem Budget wäre, dass man sich ein, zwei MFA, die sich durch besonders strukturiertes Arbeiten, Empathie und gute Kommunikationsfähigkeiten hervortun, herauspickt und diesen die Aufgabe der Case Managerin überträgt. Weil Case Management viel mit Netzwerken zu tun hat, sollten die Kandidatinnen auch Konferenzen mit verschiedenen Ansprechpartnern moderieren können.

In der Umsetzung des Case Managements können sich die Praxen dann tatsächlich an der Leitlinie orientieren: Dreh- und Angelpunkt sind die Bedürfnisse des Patienten. Das heißt es müssen gemeinsam Therapieziele erarbeitet werden. Diese sollten in der ersten Auflage mit dem Arzt festgelegt werden.

Die Case Managerin übernimmt dann das Monitoring, fragt also in regelmäßigen Abständen den Grad der Zielerreichung ab oder macht Hausbesuche und übernimmt den Kontakt zu Angehörigen.

Der Vorteil: Der Patient hat einen festen Ansprechpartner in der Praxis. Besuche bieten außerdem die Möglichkeit, den Patienten in seinem häuslichen Umfeld zu erfassen. Das kann vor allem bei älteren Patienten der Case Managerin schneller eröffnen, warum so manches Behandlungsziel nicht erreicht werden kann oder wo der Patient weiteren Unterstützungsbedarf hat und ihm seine Mobilität so lange wie möglich erhalten werden kann. Hier kann auch eine gemeinsame Wohnungsbegehung mit einem Physiotherapeuten (Suche nach Stolperquellen) oder mit einer Pflegekraft hilfreich sein.

Regelmäßige Fallbesprechung

Damit die vernetzte Versorgung läuft, sollten idealtypisch alle Informationen bei der Case Managerin einlaufen. Das beinhaltet die unterstützende Koordination weiterer Leistungserbringer wie Physiotherapeuten oder Pflegedienste und das Organisieren gemeinsamer Fallbesprechungen.

Sie kann zudem nach ärztlicher Anordnung die Fein-Koordination weiterer fachärztlicher Konsultationen oder notwendiger Klinikaufenthalte übernehmen. Das hat den Vorteil, dass sie sich dann auch darum kümmert, dass wichtige Behandlungsinfos dem Hausarzt rechtzeitig vorliegen – und im Kontext mit der Multimorbidität betrachtet werden. (reh)

Lesen Sie dazu auch: Neue S3-Leitlinie: Neue Empfehlungen im Blick

Mehr zum Thema

Medizinforschungsgesetz

Regierung: Ethikkommission beim Bund bleibt unabhängig

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert

Lesetipps
Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken

Gesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, den Entwurf für die Klinikreform am 8. Mai im Kabinett beraten lassen zu wollen. 

© picture alliance / Geisler-Fotopress

Großes Reformpuzzle

So will Lauterbach den Krankenhaus-Sektor umbauen