Baden-Württemberg

KV-Regiopraxis: Erfolgreich, aber ohne Nachfolger im Südwesten

Junge Allgemeinärzte in die Praxis holen: Diese Idee ist in Baiersbronn aufgegangen. Fünf Jahre nach dem Start der KV-Regiopraxis wurde Bilanz gezogen. Nachfolger in anderen Kommunen gibt es keine – warum?

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Gesundheitszentrum Spritzenhaus in Baiersbronn: Sieben Hausärzte arbeiten zurzeit in der Regiopraxis.

Gesundheitszentrum Spritzenhaus in Baiersbronn: Sieben Hausärzte arbeiten zurzeit in der Regiopraxis.

© KVBW

STUTTGART/BAIERSBRONN. Es ist die erste Regiopraxis der KV Baden-Württemberg – und wird die einzige bleiben. Die Praxis bietet Arbeit für fünf Allgemeinärzte, einen hausärztlichen Internisten, einen Weiterbildungsassistenten, zwölf Medizinische Fachangestellte und zwei Azubis.

Zum fünfjährigen Jubiläum der Praxis wurde jüngst in Baiersbronn gefeiert. Lob kam von einem der berufspolitischen Gründerväter, KV-Vorstandsvize Dr. Johannes Fechner: Die Regiopraxis habe sich ausgezeichnet entwickelt. "Sie stellt in der Zwischenzeit einen unverzichtbaren Baustein der Versorgung in Baiersbronn und Umgebung dar", sagte Fechner der "Ärzte Zeitung".

Vor fünf Jahren sah die Situation in Baiersbronn (Landkreis Freudenstadt) noch prekär aus. Absehbar war, dass zwei Drittel der Hausärzte vor Ort sich in den nächsten Jahren in den Ruhestand verabschieden würden. Auch der Hausarzt Ernst Klumpp sagt, ohne die Regiopraxis wäre er "vermutlich bereits vor einigen Jahren aus der Versorgung ausgestiegen". Jetzt will Klumpp, Jahrgang 1951, nach eigenen Angaben noch einmal zwei bis drei Jahre dranhängen.

Gut ausgelastetet Praxis

Die Ärzte in der Regiopraxis seien "gut ausgelastet", berichtet er. Allein Baiersbronn habe rund 15.000 Einwohner. Die Versorgung zu sichern hat allerdings auch Geld gekostet. Die KV Baden-Württemberg habe pro Arzt einen Zuschuss von 25.000 Euro sowie eine Anschubfinanzierung von 3000 Euro pro Quartal zur Verfügung gestellt, berichtet Klumpp.

Die Idee der Regiopraxis ist einfach: Sie will der Freiberuflichkeit der Ärzte Rechnung tragen, soll aber zugleich das wirtschaftliche Risiko senken. Ziel ist, dass insbesondere junge Ärzte in eine bestehende Struktur hineinwachsen können. Genau diese Rechnung ist in Baiersbronn aufgegangen – darüber hinaus aber nicht.

Die KV habe sich weitere Regiopraxen gewünscht, bekräftigt Fechner. Es wurde auch zwischenzeitlich eine weitere Praxis in Bad Schussenried (Oberschwaben) eröffnet, die aber inzwischen wieder geschlossen wurde. Man habe viele Gespräch mit anderen Kommunen geführt –  erfolglos. "Gescheitert ist es letztlich daran, dass niemand bereit war, die unternehmerische Initiative zu übernehmen. Die Hürde für Ärzte, ihre bestehenden Praxen aufzugeben und sich zu einer größeren Einheit zusammenzuschließen, war zu hoch", resümiert Fechner. Das bestätigt Hausarzt Klumpp. Insbesondere sei es schwer, ältere Ärzte zu gewinnen, die nochmals in eine Regiopraxis investieren wollen.

Hinzu kommt: Die Kommunen müssen mitspielen, etwa wenn es darum geht, eine Immobilie für eine solche Großpraxis zu finden. In Baiersbronn ist das beispielhaft gelungen. Die Regiopraxis ist angedockt an das "Spritzenhaus", das ehemalige Feuerwehrmagazin, das zu einem Gesundheitszentrum umgewandelt wurde. In Nachbarschaft zur Praxis finden sich etwa eine Apotheke, ein Physiotherapeut sowie ein Sanitätshaus.

Kommunale Vertreter waren rar

Obwohl die Jubiläumsveranstaltung eigentlich gut besucht war, zeigt sich Hausarzt Klumpp "etwas verwundert, dass nicht mehr kommunale Vertreter aus dem Kreis Freudenstadt anwesend waren". Schließlich werde es in naher Zukunft auch in anderen Gemeinden Landarztmangel geben.

Denn nicht alle Gemeinden werden so viel Glück haben wie Baiersbronn. Dort soll im Ortsteil Klosterreichenbach im April 2018 ein MVZ mit zunächst fünf Ärzten die Tore öffnen, die "Ärzte am Reichenbach – Medi-MVZ GmbH". Gegenwärtig wird dort die Immobilie einer Volksbank umgewidmet. Begleitet werden die Ärzte bei Bürokratie und Verwaltung vom Mediverbund – und können sich so auf ihre Patienten konzentrieren.

Die Gründung weiterer Regiopraxen hat die KV zu den Akten gelegt. "Wir betreiben das Projekt nicht weiter", gibt Fechner zu Protokoll. Vergangene Woche zog die KV-Vertreterversammlung einen Schlussstrich und strich die Förderbestimmungen für Regiopraxen aus ihrer Satzung.

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