Modellprojekt in Nordrhein

Geistig Behinderte nehmen Vorsorgeuntersuchungen zu selten wahr

Studie zu medizinischen Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung in Nordrhein vorgestellt.

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DÜSSELDORF. Menschen mit geistiger Behinderung sowie ihre Angehörigen und Betreuer fühlen sich durch niedergelassene Haus- und Fachärzte gut versorgt. Verbessern muss sich der Zugang zu Krebsfrüherkennungsuntersuchungen – unter anderem über gezielte Informationen in leichter Sprache.

Das zeigt das Modellprojekt "Erfassung der medizinischen Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung in Nordrhein-Westfalen" der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo) und des Interdisziplinären Zentrums für Versorgungsforschung der Universität Witten/Herdecke. In die Studie waren 181 Beschäftigte aus Werkstätten für Menschen mit geistiger Behinderung in Witten, Oberhausen und Solingen sowie Angehörige und Betreuer einbezogen. Sie wurden zur gesundheitlichen und präventiven Versorgung befragt.

Fast alle Studienteilnehmer verfügen über einen Hausarzt und nehmen auch Fachärzte in hohem Maße in Anspruch, berichtete Kammer-Präsident Rudolf Henke. "Die ambulante Versorgung wurde von Menschen mit geistiger Behinderung wie auch von ihren Angehörigen und Betreuern allgemein als gut wahrgenommen", freute er sich.

Die Teilnahmerate am Gesundheits-Check- up und an Routineimpfungen ist höher als in der Allgemeinbevölkerung. Allerdings spielt die Gesundheitskompetenz eine wichtige Rolle. "Menschen mit geistiger Behinderung und Migrationshintergrund nahmen weniger an den Vorsorgeuntersuchungen teil und hatten keine Kenntnis über präventive Angebote in Form von Präventionskursen", sagte Henke.

Menschen mit geistiger Behinderung nehmen seltener Krebsfrüherkennungsuntersuchungen in Anspruch, Ausnahme ist die Hautkrebsfrüherkennung. "Wir brauchen dringend Informationsmaterial in leichter Sprache über Nutzen, Risiken und Grenzen von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen und deren Ablauf", betonte der Kammer-Präsident.

"Wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir die Gesundheitskompetenz erhöhen und die Angebote zu den Menschen bringen", betonte die Geschäftsführende Ärztin der Kammer Professor Susanne Schwalen. In der Untersuchung hatten sich rund 60 Prozent dafür ausgesprochen, Präventionskurse direkt in den Werkstätten anzubieten.

Bei der ambulanten Versorgung setzten dagegen rund 60 Prozent auf die Untersuchung in den Praxen der niedergelassenen Ärzte. "Nur 20 Prozent würden ein Angebot direkt in den Werkstätten bevorzugen", sagte sie. Um die Kommunikation in den Praxen zu verbessern, bietet die Kammer ab Herbst 2018 Fortbildungsveranstaltungen zur leichten Sprache an.

Die Arbeit mit dieser Patientengruppe sei zum Teil eine Herausforderung, aber auch sehr schön, sagte Studienarzt Michael Etges, niedergelassener Allgemeinarzt in Oberhausen. "Wichtig ist, dass man ein Vertrauensverhältnis aufbaut und Ängste abbaut."

In manchen Fällen seien Hausbesuche besser als die Untersuchung in der fremden Umgebung der Praxis. Maßnahmen zur Veränderung des Lebensstils – viele Menschen mit geistiger Behinderung leiden an Übergewicht – sind nach seiner Erfahrung häufig schwierig umzusetzen.

"Wir brauchen besondere Angebote", bestätigte Professor Max Geraedts, der die Studie zusammen mit Schwalen geleitet hat. Sie müssten speziell für die Zielgruppe konzipiert sein. Zudem müsse sich der erhöhte Versorgungsaufwand der Ärzte in der Vergütung niederschlagen. (iss)

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