Hessen

Für die ärztliche Versorgung auf dem Land braucht's viele Helfer

Die KV Hessen hat Vertreter aus Politik, Kommunen und Medizin zusammengerufen, um dem Ärztemangel im ländlichen Raum entgegenzuwirken.

Christoph BarkewitzVon Christoph Barkewitz Veröffentlicht:
Auf dem Podium diskutieren die KVH-Vorstände Frank Dastych (l.) und Dr. Eckhard Starke (r.) mit den hessischen Landtagsabgeordneten René Rock (FDP), Dr. Daniela Sommer (SPD), Marjana Schott (Linke), Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU) und Marcus Bocklet (Grüne).

Auf dem Podium diskutieren die KVH-Vorstände Frank Dastych (l.) und Dr. Eckhard Starke (r.) mit den hessischen Landtagsabgeordneten René Rock (FDP), Dr. Daniela Sommer (SPD), Marjana Schott (Linke), Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU) und Marcus Bocklet (Grüne).

© KV Hessen

FRANKFURT. Wo wollen Patienten behandelt werden? Dr. Stephan Hofmeister, Vize-Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), hat dazu eine klare Meinung: "Ob es sich um ein ambulantes Zentrum oder um eine originäre Klinik handelt, interessiert sie eigentlich nicht. Es interessiert sie, ob es einen Standort für die wohnortnahe Versorgung von Alltagserkrankungen gibt."

Damit untermauerte der KBV-Vize in der Versorgungskonferenz Ländlicher Raum der KV Hessen in Frankfurt seine These, es gebe hierzulande zu viele Kliniken und zu viele Betten. Deutschland leiste sich eine Bettenkapazität, die in der OECD einzigartig sei, deren Zahl müsse abgebaut werden, denn seien Betten vorhanden, würde naturgemäß auch versucht, sie zu belegen.

Es bräuchte weniger Kliniken – die verbleibenden aber mit besserer Ausstattung.

Für Hofmeister läuft der Trend in die falsche Richtung: "Wir erleben, dass der Gesetzgeber unter Ambulantisierung vor allem und fast ausschließlich die Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung zu verstehen scheint."

Dazwischen steht das Modell der Praxisklinik, die ambulante und stationäre Patientenversorgung verbinden soll. Ein Modell, dem Jochen Metzner, Referatsleiter Krankenhausversorgung im hessischen Sozialministerium, nach anfänglichen Bedenken inzwischen zunehmend wohlwollend gegenüber steht. Denn "das größte Problem ist die Mauer zwischen den Sektoren."

Dies sieht auch der KV Hessen-Chef Frank Dastych vor allem im ländlichen Raum. Dort herrsche durch den sich seit Jahren verschärfenden Arztmangel "Land unter". Dastych berichtet von regelrechten "Hilferufen" seiner Kollegen insbesondere aus Mittel- und Nordhessen.

In den wohlhabenden Regionen Hessens könne sich der Zulassungsausschuss kaum vor Bewerbungen für frei werdende Praxisplätze retten, in den strukturschwachen Regionen "suchen wir händeringend Nachfolger für Praxen", sagt Dastych. Allein bei den Hausarztpraxen gebe es aktuell 155 Vakanzen.

"Wie machen wir Praxisarbeit wieder interessant, wie schaffen wir stimmige Arbeitsbedingungen im ländlichen Raum?", stellte KV-Vorstandsvize Dr. Eckhard Starke zur Diskussion. "Wir stehen zu unserem Sicherstellungsauftrag, aber wir brauchen Unterstützung", so Dastych.

Die kommt zum Beispiel von den Kommunen, wie Professor Jan Hilligardt, Geschäftsführer des Hessischen Landkreistags, versichert. Hessens Kreise lieferten Hilfe bei der Suche von Praxisräumen, Wohnungen und Angeboten für die Familien, durch Bereitstellung von finanziellen Anreizen sowie Unterstützung bei Vernetzung und Weiterbildung.

Steuernd kann und muss auch die Politik einwirken. Der CDU-Landtagsabgeordnete Dr. Ralf-Norbert Bartelt, selbst Dermatologe, vertrat dabei eine im Auditorium höchst umstrittene Auffassung: "Wir haben nicht zu wenige Ärzte, sondern eine massive Fehlverteilung zulasten des ländlichen Raums."

Dr. Daniela Sommer und Marjana Schott, die gesundheitspolitischen Sprecherinnen der Fraktionen von SPD und Linken forderten zunächst verlässliche Zahlen an: So mahnte Sommer den einst vom CDU-geführten Sozialministerium angekündigten, aber bis dato nicht gelieferten "Versorgungsatlas" an, Schott verlangte eine Bedarfsanalyse: "Was brauchen wir für eine gute medizinische Versorgung?"

Zwischen allen Fraktionen unumstritten ist die Notwendigkeit, eine attraktive Infrastruktur für niederlassungswillige Ärzte zu schaffen: Nahverkehr, Schulen, Arbeitsplätze für die Partner, Kulturangebote. Denn: "Wir können zwar Arztsitze schaffen, aber wenn keiner hinzieht, dann zieht eben keiner hin", lautet das nüchterne Fazit von Marcus Bocklet von den Grünen.

Finanzielle Anreize reichen alleine nicht – oder sie sind zu gering: "Die Betriebskostenzuschläge sind zu niedrig, deshalb wirken sie nicht", glaubt FDP-Fraktionschef René Rock.

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