Kongress für Jugendmedizin

Medienkonsum – nicht ohne zeitliche Nutzungslimits

Kinder- und Jugendärzte in Sorge: Gesundheitliche Folgen einer Abhängigkeit von digitalen und sozialen Medien werden eklatant unterschätzt.

Raimund SchmidVon Raimund Schmid Veröffentlicht:
Laptop, Tablet, Smartphone – Pädiater warnen: Es muss Nutzungsbegrenzungen geben.

Laptop, Tablet, Smartphone – Pädiater warnen: Es muss Nutzungsbegrenzungen geben.

© bramgino - stock.adobe.com

WEIMAR. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hat beim 24. Kongress für Jugendmedizin massiv die "kritiklose Förderung der Digitalisierung in Kitas und Schulen" durch die Industrie und jüngst auch durch die neue Bundesregierung angeprangert. Der BVKJ kündigte an, künftig den Eltern bei Vorsorgeuntersuchungen praktische Tipps zum achtsamen Mediengebrauch mit auf den Weg zu geben.

Etwa 100 000 Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren gelten derzeit als schwerwiegend medienabhängig und pro Jahr kommen weiter 20 000 junge Menschen hinzu. Diese Zahlen nannte in Weimar Dr. Hermann-Josef Kahl, Bundespressesprecher im BVKJ. 2,6 Prozent aller Teenager in Deutschland sind nach einer repräsentativen Erhebung der DAK "süchtig nach sozialen Medien", ergänzte BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach.

Kein Verständnis für Dorothee Bär

Angesichts dieser Entwicklung sei es völlig unverständlich, dass Dorothee Bär, die neue Staatsministerin für Digitalisierung, alle deutschen Schulkinder mit einem Tablet ausstatten wolle, da sie das Programmieren im Unterricht für genauso wichtig halte wie das Lesen und Schreiben. Für solche Aussagen hatten Fischbach und auch der überwiegende Teil der 450 Kongressteilnehmer keinerlei Verständnis. So wurde etwa die Frage aufgeworfen, ob die neue Digitalisierungsministerin je gehört habe, "wie schlecht es um das Lesen und Schreiben an deutschen Schulen steht?" Dabei seien ja solche Fähigkeiten "basale Kulturtechniken, ohne die niemand programmieren lernen kann."

Zudem würden die gesundheitlichen Folgen einer Abhängigkeit von digitalen und sozialen Medien wie etwa Whatsapp und Instagramm eklatant unterschätzt, berichtete Wolfgang Achenbach, Co-Präsident des Jugendmedizinkongresses. Folgen seien unter anderem die Flucht von Jugendlichen aus dem Alltag und der Realität, Schlafmangel, zunehmende Probleme mit der Sehfähigkeit, verspannte Nacken und massive Konflikte mit den Eltern.

In einer eigenen Erhebung – der so genannten BLIKK-Studie – konnte der BVKJ zudem nach Befragung von 6000 Kindern in 80 Praxen herausfinden, dass im Alter bis zu sechs Jahren Ausmaß und Intensität des Medienkonsums eindeutig mit den von Ärzten vermehrt festgestellten Sprachentwicklungsstörungen korrelieren. Ab dem siebten Lebensjahr gibt es auch eindeutige Zusammenhänge zwischen den schulischen Leistungen, ADHS und sozial bedingten Störungen sowie der Dauer der Nutzung digitaler Medien. Für den Jugendmediziner Dr. Uwe Büsching sind diese Ergebnisse "schlimmer als erwartet."

Altersgerechte Grenzen

Es sei daher überfällig gewesen, bei Eltern und Jugendlichen – letztere nach Ansicht des Co-Kongresspräsidenten Dr. Burkhard Ruppert die am schlechtesten versorgte Patientengruppe überhaupt – strategisch zu intervenieren. In Weimar sind erstmals pädiatrische Tipps "zum achtsamen Bildschirmgebrauch" vorgestellt worden. Darin wird empfohlen, altersgerechte Grenzen zu ziehen und strikt Zeitlimits festzulegen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Medienkonsum: Ein unumkehrbarer Trend

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Eine pulmonale Beteiligung bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) kann sich mit Stridor, Husten, Dyspnoe und Auswurf manifestieren. Sie zeigt in der Lungenfunktionsprüfung meist ein obstruktives Muster.

© Sebastian Kaulitzki / stock.adobe.com

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Wenn der entzündete Darm auf die Lunge geht

Die elektronischen Monitoring-Devices könnten gezielt Patienten mit unkontrollierter Erkrankung verordnet werden, um zu messen, ob es bei der Inhalation an der Regelmäßigkeit, der Technik oder an beidem hapert und dann genau da zu schulen, wo es Probleme gibt.

© tadamichi / stock.adobe.com

Neue Möglichkeiten

So hilfreich können Smart Inhaler bei Asthma oder COPD sein