GBA-Beschluss zur Notfallversorgung

628 Kliniken soll Geld gestrichen werden

Ein Umbruch in der Krankenhauslandschaft kündigt sich an: Hunderte Krankenhäuser sollen nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) keinen Zuschlag mehr für die Notfallversorgung erhalten.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Ein wesentliches Standortkritierium für Notfallzentren ist die Erreichbarkeit binnen 30 PKW-Minuten, so ein Gutachten im Auftrag der KBV.

Ein wesentliches Standortkritierium für Notfallzentren ist die Erreichbarkeit binnen 30 PKW-Minuten, so ein Gutachten im Auftrag der KBV.

© Sebastian Kahnert / dpa

BERLIN. Der Gemeinsame Bundesausschuss GBA hat am Donnerstagnachmittag einen Beschluss gefasst, der die Notfallversorgung in Deutschland tief greifend verändern könnte. 628 Kliniken sollen keine Zuschläge mehr für die Notfallversorgung erhalten. Den Häusern wird allerdings eine Übergangsfrist gewährt, in der sie ihre Strukturen anpassen können.

Auch bei der ambulanten Notfallversorgung geraten die Krankenhäuser unter Druck.

Ein Gutachten des RWI – Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung, das am Vormittag vorgestellt worden war, geht von mehr als 700 Krankenhäusern aus, die für die ambulante Notfallversorgung nicht benötigt würden. Exakt 736 gemeinsam von KVen und Krankenhäusern betriebene Notfallzentren sollen laut RWI-Analyse ausreichen.

Das Institut hat im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) infrage kommende Standorte für Notfallzentren identifiziert. Hauptkriterien waren die Erreichbarkeit binnen 30 PKW-Minuten und die Ausstattung. 99,6 Prozent der Bevölkerung könnten mit diesem Modell versorgt werden, sagte Professor Boris Augurzky vom RWI bei der Vorstellung des Gutachtens am Donnerstag in Berlin.

Das Konzept werde der Realität nicht gerecht, hieß es dazu aus der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Es seien schließlich die Menschen, die die Krankenhäuser als Versorger wählten. Die Kliniken seien verpflichtet, die Menschen zu behandeln, die sich an sie wendeten.

Tatsächlich steigt die Zahl von Patienten, die sich auch während der Praxisöffnungszeiten in Krankenhäusern vorstellen – oft auch mit Bagatellen. Rund 20 Millionen Patienten im Jahr zählen der vertragsärztliche Bereitschaftsdienst und die Notfallambulanzen der Kliniken zusammen. Der auf die Krankenhäuser entfallende Anteil wird aufwachsend auf rund die Hälfte geschätzt.

Schon heute betreiben die KVen 650 Bereitschaftsdienstpraxen an Krankenhäusern. Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag jetzt darauf verständigt, die Sicherstellung der Notfallversorgung den Vertragsärzten und den Krankenhäusern gemeinsam anzuvertrauen. Voraussichtlich im Juli will der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen Vorschläge für Organisation und Betrieb solcher Integrierter Notfallzentren an Kliniken vorlegen.

Die KBV-Spitze hält den Ausschluss von rund der Hälfte der bisher an der Notfallversorgung teilnehmenden Krankenhäuser für gerechtfertigt. KBV-Chef Dr. Andreas Gassen räumte ein, dass in strukturschwachen Regionen auch defizitäre Notfallzentren betrieben werden müssten. Das Gutachten beziffert die voraussichtlichen Defizite der Sicherstellung auf bis zu 400 Millionen Euro im Jahr bei einem Rund-um-die-Uhr-Betrieb von 736 Notfallzentren.KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister forderte zusätzliches Geld für die neue Infrastruktur."Das muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen werden", sagte Hofmeister. Anspruchsvoll ist auch die Besetzung der Zentren mit Ärzten. Um 24 Stunden an sieben Tagen der Woche offen bleiben zu können, benötigt ein solches Zentrum ausweislich des Gutachtens die Arbeitskraft von 5,5 Ärzten am Tag.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Neue Notfallversorgung: Eine Chance, keine Gefahr

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