"Staatsdirigismus"

KBV kämpft um Autonomie der Vertragsärzte

Die im TSVG vorgesehenen verpflichtenden Mindestsprechzeiten sind der KBV nach wie vor ein Dorn im Auge. Der Vorstand fordert nun die Regierung auf, diesen Passus zu streichen. Und das ist nicht der einzige Änderungsvorschlag.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Das geplante Gesetz von Jens Spahn – TSVG – sieht unter anderem vor, dass Kassenärzte ihre Mindestsprechstundenzeiten auf 25 Stunden aufstocken müssen.

Das geplante Gesetz von Jens Spahn – TSVG – sieht unter anderem vor, dass Kassenärzte ihre Mindestsprechstundenzeiten auf 25 Stunden aufstocken müssen.

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BERLIN. Wie die Bundesärztekammer lehnt auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung die Aufstockung der Mindestsprechstundenzeiten von 20 auf 25 Stunden sowie die Verpflichtung von Angehörigen bestimmter Arztgruppen zu offenen Sprechstunden ab.

Das geht jetzt aus der offiziellen Stellungnahme der KBV zur Verbändeanhörung am Mittwoch hervor.

Bereits in den vergangenen Tagen hatten die Vorstandsvorsitzenden der KBV, Dr. Andreas Gassen, und sein Stellvertreter Dr. Stephan Hofmeister von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gefordert, auf diesen Teil des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) zu verzichten.

Solche Regelungen schafften keine "Köpfe", hatte Hofmeister in der vergangenen Woche gesagt. Es müsse stattdessen über eine Ausweitung der Studienangebote dafür gesorgt werden, dass mehr Ärzte, die dann auch finanziert werden müssten, ausgebildet werden.

In Vorgaben zu den Sprechstundenzeiten und offenen Sprechstunden für Patienten ohne Termin sowie Kontrollaufgaben für die Kassenärztlichen Vereinigungen sehen die KBV-Oberen einen dirigistischen Ansatz, der die bewährte Selbstverwaltung des Gesundheitswesens übergehe, zum anderen aber vor allem nicht die Basis der ambulanten Versorgung in der selbstständigen freiberuflichen vertragsärztlichen Tätigkeit zum Ausgangspunkt der Überlegungen nehme.

Mehrere Kritikpunkte

Weitere Änderungsvorschläge der KBV im Einzelnen:

»Streichung der Regelung, Hausärzte für die Vermittlung eines dringlichen Behandlungstermins zu vergüten. Grund: Eine verpflichtende Vermittlungstätigkeit widerspreche der Rolle der Vertragsärzte und verknappt die hausärztliche Arbeitszeit.

»Streichung der Regelung, dass Terminservicestellen Patienten "dauerhaft" zu Haus- und Kinderärzten vermitteln sollen. Das widerspreche der Natur des Behandlungspatienten zwischen Arzt und Patient.

»Streichung der Regelung, bei der Bewertung medizinisch-technischer Leistungen zur Nutzung von Rationalisierungsreserven im Vorfeld ein Konzept beim Bundesgesundheitsminister einzureichen.

»Streichung der Regelung, dass Praxisnetze die Möglichkeit gegeben werden soll, in unterversorgten Regionen Medizinische Versorgungszentren zu gründen. Stattdessen sollen die KVen entscheiden können, wo anerkannte Praxisnetze MVZ betreiben.

»Streichung der Regelung, dass Länder ein Mitberatungs- und Antragsrecht in den Zulassungsausschüssen haben sollen. KBV: "Selbstverwaltungsautonomie wird durch Staatsdirigismus ersetzt".

»Streichung der Pflicht zum Betrieb von Eigeneinrichtungen in Gebieten mit festgestellter oder drohender Unterversorgung. Eine Verpflichtung schließe Alternativen aus.

»Einführung einer Richtlinienkompetenz der KBV für die elektronische Patientenakte. Die Vertragsärzte fordern die Spezifikation der Dokumenttation medizinischer Befunde für die PVS, über die insbesondere die direkte innerärztliche Kommunikation aber auch die "sichere und unkomprimittierbare" Weitergabe solcher ärztlichen Befunde in und das Herauslesen aus einer Patientenakte sichergestellt werden können.

Einfallstor für Datenhandel befürchtet

Als mögliches Einfallstor für Datenhandel brandmarkt Dr. Peter Bobbert vom Vorstand des Marburger Bundes einen Ansatz des Referentenentwurfs.

In Paragraf 305 soll es demnach heißen: "Auf Verlangen der Versicherten und mit deren Einwilligung können die Krankenkassen an von den Versicherten benannte Dritte Daten nach Satz 1 auch elektronisch übermitteln." Anbieter elektronischer Patientenakten dürften keinesfalls Zugriff auf die Patientendaten erhalten, so Bobbert.

Vor einer Verschlechterung der Vergütungsbedingungen moderner Medizintechnologien durch den Gesetzentwurf warnt der BVMed. Aufgrund des Fortschritts könnten immer mehr Methoden auch ambulant erbracht werden.

Während der langen Verfahren, ob eine Leistung in den EBM aufgenommen werden könne, sei die Vergütung unsicher.

Der Gesetzgeber solle daher sicherstellen, dass die stationären Abrechnungsmöglichkeiten jeweils erhalten blieben, solange die ambulanten noch nicht eingeführt seien.

Wir habend den Artikel aktualisiert am 20.8.2018 um 15:52 Uhr.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Mehr Geld und mehr Köpfe

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