Preisentwicklung

Ärzte sehen sich bei Honoraren abgehängt

Ärzteverbände werten den Honorarabschluss überwiegend kritisch, vor allem wegen fehlender Beschlüsse zu Hausbesuchen und des nicht erreichten Inflationsausgleichs.

Christoph BarkewitzVon Christoph Barkewitz und Hauke GerlofHauke Gerlof Veröffentlicht:
Viel Unzufriedenheit herrscht unter Vertretern von Ärzteverbänden über den Honorarabschluss für das nächste Jahr.

Viel Unzufriedenheit herrscht unter Vertretern von Ärzteverbänden über den Honorarabschluss für das nächste Jahr.

© Pixelot / Fotolia

BERLIN/NEU-ISENBURG. Ärzteverbände reagieren eher mit Skepsis auf die am Dienstag gefallenen Entscheidungen zum Vertragsarzthonorar 2019. Immer wieder fällt dabei der Blick auf die Inflationsrate. "Worauf sich KBV und GKV-Spitzenverband geeinigt haben, ist im besten Fall ein Inflationsausgleich, dies als einen Erfolg der Selbstverwaltung zu verkaufen, ist ein starkes Stück", meint beispielsweise der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt.

Beim wichtigen Thema "Hausbesuche" sei bisher überhaupt gar nichts passiert, obwohl das für die Hausärztinnen und Hausärzte das drängendste Problem sei. "Es ist nicht länger akzeptabel, dass die Kolleginnen und Kollegen für 22 Euro Hausbesuche fahren müssen", sagt Weigeldt. Es brauche eine substanzielle Erhöhung, die dem Aufwand gerecht werde – "ein paar Euro mehr werden nicht ausreichen".

"Steigerung reicht nicht"

Die Steigerung um 1,58 Prozent beim Orientierungswert "reicht nicht" kommentiert auch Dr. Hans-Friedrich Spies, Präsident des Berufsverbands Deutscher Internisten und Sprecher der Allianz Deutscher Ärzteverbände, auf Anfrage. Die Steigerungsrate liege unterhalb der Preissteigerungsrate und sei auch niedriger als die verhandelten Personalkosten der Medizinischen Fachangestellten, so Spies.

Teilabschlüsse drohten "das Verhandlungsergebnis insgesamt am Ende eher zu verschlechtern", sagte der BDI-Präsident unter Verweis auf die noch ausstehenden Entscheidungen zu den Kostensteigerungen aufgrund von Digitalisierung, Datenschutz und Hygiene.

Auch der NAV-Virchow-Bund weist auf die Probleme hin, das Praxispersonal zu entlohnen. Mit dem erhöhten Orientierungswert ließen sich nicht einmal die Gehaltssteigerungen der Medizinischen Fachangestellten auffangen, die in den vergangenen Jahren 2,6 Prozent (2017) und 2,2 Prozent (2018) betrugen, sagt der Bundesvorsitzende Dr. Dirk Heinrich.

Die Krankenkassen kämen mit diesem Honorarabschluss nur knapp den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanforderungen in puncto Kosten, Morbidität und Menge nach. Die bestehenden Probleme, beispielsweise bei der Unterbezahlung von Hausbesuchen, müssten dringend gelöst und die wohnortnahe Grundversorgung durch Haus- und Fachärzte gestärkt werden, so Heinrich.

Ähnlich sieht Dr. Klaus Reinhardt, Vorsitzender des Hartmannbundes, die Ergebnisse der Honorarverhandlungen. Die Krankenkassen verstünden sich "im Wesentlichen als Hüter der von ihren Versicherten eingesammelten Gelder". Von dem Gedanken, gemeinsam Versorgung gestalten zu können "haben wir uns ja leider schon lange verabschieden müssen", so Reinhardt weiter. Die Honorarverhandlungen gestalteten sich daher in jedem Jahr als ein "mühsames Ringen um die nötigen Mittel".

"Elfenbeinturm-Denken"

Lars F. Lindemann, Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (SpiFa), spricht von einem "dürftigen Ergebnis". Dieses dann noch mit Kommentaren zu garnieren, dass der GKV-Spitzenverband erfolgreich eine Überforderung der Versicherten habe abwenden können, während das System auf Finanzrücklagen von mehr als 20 Milliarden Euro hocke, sei nicht nur schlechter Stil, vielmehr bewirke es ein Fortschreiben des Abwendens von der Selbstverwaltung.

"Beim erfolgten Honorarabschluss für das Jahr 2019 von einem Erfolg zu sprechen, wird der Realität derer, die in der Versorgung der Versicherten jeden Tag Verantwortung übernehmen, nicht gerecht", kritisiert Lindemann. Dieses "Elfenbeinturm-Denken" verhöhne jeden Arzt, der in seiner Praxis tagtäglich mit mehr Patienten, mehr Bürokratieaufwand und mehr Versorgungsaufwand konfrontiert sei.

Vor diesem Hintergrund nicht einmal den Inflationsausgleich zu gewähren, "zeigt wie entrückt der GKV-Spitzenverband von der Versorgung ist."

Die Internisten blicken nach Angaben des BDI-Präsidenten Spies mit Hoffen und Bangen auf den Fortgang der Verhandlungen: Für die hausärztlichen Internisten gehe es noch um die Regelung der Hausbesuche und eine Stärkung der Grundversorgung.

Die fachärztlichen Internisten ohne Schwerpunkt hofften darauf, dass "wenigstens ein Teil der im TSVG gemachten Versprechungen für extrabudgetäre Leistungen Wahrheit werden". Die spezialisierten Internisten "sehen demgegenüber schwarz", so Spies.

Für den EBM würden sie nach derzeitigen Vorgaben wohl über eine gewollte Fixkostendegression bei den technischen Leistungen zur Finanzierung von Gesprächsleistungen herangezogen. "Damit werden notwendige Neu- und Re-Investitionen dieses apparateintensiven Teil der Versorgung kaum noch möglich werden", vermutet der BDI-Präsident. Spies erwartet, dass ein Teil dieser ambulanten Leistungen zunehmend in den Krankenhaussektor verschoben wird.

Kassen gegen Entbudgetierung?

Die von den Kassen erwartete Steigerung der extrabudgetär gezahlten Leistungen sieht Spies in engem Zusammenhang mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG). Die Krankenkassen hätten sich in der Anhörung zum Gesetz einer Entbudgetierung verweigert und wollten nur neue Leistungen zahlen.

Die Kostensteigerungen durch die steigenden Anforderungen insbesondere durch die Datenschutzgrundverordnung und die Digitalisierung werden in den Praxen einen "personellen Mehraufwand" bringen. Spies fürchtet aber ein "gegenseitiges Aufrechnen mit der Anhebung des Orientierungswertes: "Es besteht die Gefahr einer Mogelpackung", so der Vertreter der Internisten.

Auch Hartmannbund-Chef Dr. Klaus Reinhardt fürchtet, dass das "Nachrechnen" bei den Kosten nur "bedingt positive Effekte" bringt. Aber gerade bei der politisch gewollten Digitalisierung sollte aus dem Bundesgesundheitsministerium ein klares Signal an die Kassen kommen, fordert Reinhardt: "Denn ohne entsprechende Finanzierung wird das ein zähes Unterfangen bleiben."

Lesen Sie dazu auch: Von Partnern zu Verhinderern: NAV-Chef fordert Kassen zu mehr Verantwortung auf

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