E-Health

Elektronische Patientenakte sorgt für Unruhe

Gesundheitsminister Jens Spahn macht bei der elektronischen Gesundheitsakte Druck. Eine Personalie im Berliner Ministerium stößt derweil bei den Vertragsärzten auf Skepsis.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Arzt am Computer. Die elektronische Patientenakte soll bis 2021 kommen.

Arzt am Computer. Die elektronische Patientenakte soll bis 2021 kommen.

© Lisa Eastman / Fotolia

BERLIN. In gut 28 Monaten soll es soweit sein: Spätestens zum 1. Januar 2021 sollen alle Krankenkassen ihren Versicherten elektronische Patientenakten anbieten müssen. So steht es im Entwurf von Jens Spahns Gesundheitsgesetz (TSVG). Der Gesundheitsminister hat es damit so eilig, dass er mit den Regelungen zur Patientenakte nicht einmal bis zur geplanten Fortschreibung des E-Health-Gesetzes warten wollte.

Die Vertragsärzte blicken der Einführung der elektronischen Akte mit gemischten Gefühlen entgegen. "Ich würde sagen, Spahn will, dass das Ding fliegt", kommentierte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen das Tempo des Ministers.

Die nächste Entscheidung, die in dieser Sache fallen werde, sei die darüber, ob wir das AOK-Modell wollen oder etwas anderes machen. TK-Chef Jens Baas hätte die Diskussion darüber am liebsten zunächst im "stillen Kämmerlein" geführt. "Es ist besser, wenn man erst einmal miteinander reden würde als übereinander", sagte Baas.

Gespräche im Hintergrund

Tatsächlich werden im Hintergrund zwischen Beteiligten und Betroffenen sowie dem Ministerium intensive Diskussionen geführt, wie die elektronische Akte technisch aufgestellt sein soll. Gesprochen wird über die Befund- und Verschreibungsdaten, also über Laborwerte, Röntgenbilder, Elektrokardiogramme oder die Medikation zum Beispiel.

Die liegen heute dezentral in den Praxisverwaltungssystemen der niedergelassenen Ärzte und in den Krankenhäusern. Eine elektronische Akte sollte diese Daten zusammenführen können, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Dazu gehören unter anderem Doppeluntersuchungen überflüssig zu machen oder unerwünschte Medikamentenereignisse zu vermeiden. Keiner politischen Regelung bedarf es für Daten aus Wearables.

Bislang haben sich drei Ansätze elektronischer Akten herausgeschält:

  • AOK-Modell: Die Patientendaten bleiben beim Arzt, sollen aber in Kopie auch bei der zuständigen KV oder auf Servern von Ärztenetzen liegen. Ein Suchalgorithmus führt die Daten bei Bedarf zusammen. Vergleichbare Lösungen gibt es zum Beispiel in Österreich und Estland.
  • TK-Modell: Das Modell TK Safe wurde gemeinsam mit IBM entwickelt. Beteiligt sind Generali und Signal Iduna. Die Daten sollen auf Servern in Deutschland liegen, gelten sollen europäische Datenschutzbestimmungen.
  • Vivy-Modell: Bei Vivy handelt es sich um eine App. Hinter der Entwicklung steckt ein Ex-Manager einer Digitalbank. Hauptgesellschafterin ist die Allianz. Beteiligt sind die DAK sowie 90 weitere Krankenkassen und private Versicherer. Die Daten sollen zentral gespeichert werden.

Entscheidung offen, Kritik an AOK-Modell

Welches Modell den Zuschlag bekommt, oder ob es mehrere parallele Systeme einer elektronischen Gesundheitsakte geben wird, ist im Moment offen. Die Vertragsärzte bevorzugen ein Modell, das den Kassen keinen Zugriff auf die Daten in den Praxisverwaltungssystemen erlaubt.

Das AOK-Modell ist der KBV daher suspekt. "Die AOK lädt alle Heilberufe ein, auf ihr System einzuschwenken. Da kann man sich vielleicht überlegen, dass sie etwas anderes vorhaben als eine reine Patientenakte", sagte KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel dazu.

Als "bemerkenswerten Vorgang", bezeichnete KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister in diesem Zusammenhang den Umstand, dass Jens Spahn den Digital Chief Officer der AOK-Nordost Christian Klose ins Ministerium berufen hat. Dort ist er Stellvertreter von Digital-Abteilungsleiter Gottfried Ludewig.

Das BMG habe Klose "voraussichtlich für die Dauer von zwei Jahren" berufen, hat die AOK Nordost der "Ärzte Zeitung" mitgeteilt. Klose war maßgeblich beim Aufbau des AOK-Modells "Gesundheitsnetzwerk" beteiligt.

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