Verständnislos

Terminservice-Gesetz torpediert Sachsen-Anhalts smarte Lösung

KV-Vertreter in Sachsen-Anhalt sind nicht angetan vom geplanten Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG). KV-Chef John bangt um das landeseigene Modell der Überweisungssteuerung.

Von Petra Zieler Veröffentlicht:
Die Überweisungssteuerung in Sachsen-Anhalt läuft — nun sieht die KV sie in Gefahr.

Die Überweisungssteuerung in Sachsen-Anhalt läuft — nun sieht die KV sie in Gefahr.

© fotogestoeber / stock.adobe.c

MAGDEBURG. Auf viel Kritik stößt bei Sachsen-Anhalts KV-Vertretern der Referentenentwurf zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG). Mit Blick auf die geplante Kleinteiligkeit der Regelungen sagte KV-Chef Dr. Burkhard John: "So etwas habe ich in den vielen Jahren meiner Vorstandstätigkeit noch nicht erlebt."

Indem der Staat in die Organisation der Praxisabläufe eingreife, stelle er die Selbstverwaltung in Frage, die bislang gesetzlich festgelegte Rahmenbedingungen selbstständig ausgestaltet habe. "Das erinnert an Staatsmedizin." Als Beispiele führte er die Verpflichtung von mindestens 25 Sprechstunden pro Woche an, von denen mindestens fünf im Rahmen einer offenen Sprechstunde abzuhalten sind.

Rund um die Uhr – ist das nötig?

Hinterfragt werden müsse auch die zeitliche Ausdehnung der Terminservicestellen auf sieben Tage in der Woche rund um die Uhr. John erinnerte hingegen an das landeseigene Modell zur Überweisungssteuerung, das sich in Sachsen-Anhalt bewährt habe.

Hier werde im Rahmen der Hausarztverträge zwischen sehr dringend (Termin am nächsten Arbeitstag) und dringend (Termin innerhalb von sieben Werktagen) unterschieden.

Haus- und Kinderärzte bemühten sich meist selbst um Termine bei Facharztkollegen. Die Mühe zahle sich für Haus- und Fachärzte gleichermaßen aus, denn die Kassen honorierten die zeitnahe Weiterbehandlung ihrer Versicherten beim Facharzt extrabudgetär.

Seit 2015 wurden jährlich rund 11.000 als sehr dringend eingestufte Patienten nahtlos vom Facharzt weiterbehandelt, über 10.000 weitere mussten auf den Termin beim Spezialisten maximal eine Woche warten. "Das ist der vernünftigere Weg", bekräftigte John.

Leistungsabwertung um 80 Prozent

Zwar sehe auch der Entwurf zum TSVG für die Überweisungssteuerung eine extrabudgetäre Vergütung vor. "Nach dem Willen des Bundesgesundheitsministeriums soll der bei einem Preis von zwei Euro liegen. Damit würde die teilweise sehr zeitaufwendige Leistung für Hausärzte in Sachsen-Anhalt um 80 Prozent abgewertet."

Eine gesonderte Vergütung für Fachärzte, die für diese Leistungen bisher zwischen zehn und 15 Euro erhalten, sei gar nicht vorgesehen. "So werden gute Regelungen zur Steuerung des Patienten auf kollegialer Ebene zwischen den Ärzten zerstört."

Positiv hingegen sei der Ansatz, Leistungen in der offenen Sprechstunde und bei Patienten, die von der Terminservicestelle vermittelt werden sowie von Neupatienten und Notfällen extrabudgetär vergüten zu wollen. "Das wäre ein erster richtiger Schritt in Richtung Entbudgetierung. Und das ist zu begrüßen."

John: Kassen zuvorkommen

Allerdings müsse der Gesetzentwurf auch an dieser Stelle nachgebessert werden, um sicherzustellen, dass die Leistungen tatsächlich außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu zahlen sind. "Die Krankenkassen werden ansonsten versuchen, diese Regelungen zu unterlaufen", befürchtet John. Zumal die seit Jahren notwendige Anpassung an die hohe Morbidität in Sachsen-Anhalt auch nach dem vorliegenden Entwurf weiter nicht gegeben sein wird.

Auf wenig Gegenliebe stößt bei den Ärzten auch der Vorstoß, dass künftig die Gesundheitsministerien der Länder festlegen können, wo zusätzliche Ärzte benötigt werden. "Damit wird die Bedarfsplanung ausgehöhlt." John wies zudem darauf hin, dass die zusätzlichen Arztsitze aus der budgetierten Gesamtvergütung bezahlt werden müssten.

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