Praktisches Jahr

"Ich kann selbst meinen Kopf einschalten"

Johannes Binder absolviert sein PJ in einer MVZ-Praxis in Erlangen und ist zufrieden mit der Qualität seiner Ausbildung. Er findet: Jeder sollte den ambulanten Sektor kennenlernen.

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"Ich kann selbst meinen Kopf einschalten"

© privat

Ich mache gerade mein erstes PJ Tertial – und zwar in der Hausarztpraxis des MVZ, das direkt mit der Uni-Klinik Erlangen verbunden ist. Das ist für mich nahe liegend – zuerst die "Basics" zu lernen, bevor es dann in die Kliniken geht. Denn zum Examen lernt man ja Sachen, die mit der Realität da draußen nicht unbedingt immer viel zu tun haben. Deshalb finde ich den Einstieg über die Allgemeinmedizin sehr gut. Hier lerne ich, mit der Anamnese umzugehen und überhaupt: Wie funktioniert eigentlich eine körperliche Untersuchung?

Inzwischen bin ich hier voll eingebunden. Zuerst habe ich nur zugeschaut, um die Abläufe kennenzulernen. Inzwischen heißt es: "Schau dir den nächsten Patienten doch mal an." Später guckt der Arzt natürlich noch mal drauf, macht die Verordnungen und unterschreibt. Im nächsten Schritt werden die Patienten für mich gezielt rausgesucht, und die bleiben dann auch für den Rest des Tertials meine Patienten.

Das Tolle ist: Ich muss selber den Kopf einschalten, weil ich keine vordiagnostizierten Patienten bekomme. Dann ist die Frage: Was könnte der haben? Ist es schlimm? Oder kann ich den Patienten beruhigen?

Steile Lernkurve

Meine Lernkurve ist entsprechend steil: Was sind die Leitsymptome? Wo muss ich aufpassen? Wie arbeitet überhaupt ein Hausarzt?

Im MVZ arbeiten vier Ärztinnen und Ärzte. Es ist alles dabei. Vom Ordinarius für Allgemeinmedizin bis zur Assistentin im vierten Jahr. Die Beziehungen sind natürlich unterschiedlich. Die Gespräche mit dem Chef werden leicht mal zu kleinen Prüfungsgesprächen, aber die junge Kollegin freut sich, dass ein Student da ist. "Da lerne ich auch was", sagt sie. So eine Arbeitsatmosphäre ist natürlich etwas anderes als in der Uniklinik, wo 20 PJler um einen Arzt herumspringen.

In der Hausarztpraxis gibt es sogar Feedback-Gespräche, in denen ich auch selber Feedback gebe – also, was läuft aus meiner Sicht nicht so gut, was würde ich ändern. Ich würde zum Beispiel gerne mehr Ultraschalluntersuchungen lernen. Ob es in allen Hausarztpraxen so gut läuft mit dem PJ, kann ich natürlich nicht sagen. Aber ich denke, in einer Einzelpraxis auf dem Land dürfte es weniger abwechslungsreich sein.

Was sich wirklich dringend ändern muss, ist die Bezahlung. Wohnungen in Erlangen sind teuer. Ich bekomme zwar 600 Euro vom Bayerischen Hausärzteverband als Stipendium, muss aber nebenher als Werksstudent bei Siemens arbeiten; mittwochs und freitags, also wenn die Praxis geschlossen hat. Sonst käme ich nicht über die Runden.

Von der Praxis erhalte ich kein Geld, weil sie zur Uniklinik gehört, da einige Fakultäten (und da gehört leider auch unsere dazu), entschieden haben, dass PJler kein Geld bekommen Also: Siemens. Und ob ich den Job dort behalten kann, wenn ich in der Chirurgie bin, weiß ich auch nicht. Eigentlich, finde ich, müssten die PJler wenigstens den BAFöG - Satz bekommen.

Praxen brauchen gute Konzepte

Von einer Verpflichtung zur Allgemeinmedizin im PJ halte ich nichts. Andererseits fände ich es nachlässig, wenn die Studierenden nie den ambulanten Sektor kennenlernen würden. Es wäre besser, mehr Interesse für die Allgemeinmedizin zu wecken, statt neue Pflichten zu schaffen. Denn im Zweifel erreicht man das Gegenteil dessen, was man wollte.

Vor allem müssen die Praxen gute Konzepte haben. Nur rumzusitzen und Däumchen zu drehen — das ist doch "Horror". Ich jedenfalls kann mir zur Zeit gut vorstellen, Hausarzt zu werden. Aber wer weiß, vielleicht werde ich auch Herzchirurg. (cben)

Lesen Sie dazu auch: Junge Ärzte: Als Billiglöhner durchs PJ

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