Junge Ärzte

Als Billiglöhner durchs PJ

Laut einer Umfrage bekommen die meisten PJler für ihren Einsatz in der Klinik weniger als 400 Euro im Monat. Und statt Ausbildung ist Akkordarbeit angesagt. Doch in manchen Regionen geht es besser.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Viele PJler können von dem Geld, das sie für ihre Arbeit erhalten, nicht leben.

Viele PJler können von dem Geld, das sie für ihre Arbeit erhalten, nicht leben.

© slasnyi / stock.adobe.com

Fast nichts gelernt, jede Menge Papierkram und tagelanges Däumchen-Drehen. Das Urteil über das praktische Jahr fällt bei vielen PJlern mau bis verheerend aus. Dabei definiert doch die Approbationsordnung, dass die Studierenden in dieser Zeit ihre ärztlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vertiefen und erweitern sollen.

"Sie sollen lernen, sie auf den einzelnen Krankheitsfall anzuwenden. Zu diesem Zweck sollen sie entsprechend ihrem Ausbildungsstand unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes ihnen zugewiesene ärztliche Verrichtungen durchführen", heißt es in Paragraf 3 Absatz 4 der Approbationsordnung.

Klingt gut. Allerdings sieht die Praxis des PJ oft anders aus. Das belegen jetzt Zahlen des Marburger Bundes (MB) Nordrhein-Westfalen/ Rheinland-Pfalz. Danach vermissen die PJler eine qualitativ gute medizinische Ausbildung. Klare Ausbildungsziele und schlüssige Curricula? Bisher offenbar Fehlanzeige.

"Nahezu alle PJler betonen in der MB-Umfrage, dass sie in personell unterbesetzten Kliniken primär zur Patientenaufnahme, zum Blut-Abnehmen oder zum Hakenhalten im OP eingesetzt werden", teilt der MB mit. Vereinbarte Seminare fallen ständig aus, es mangele an strukturierten Schulungen. Ein PJler schrieb: "Wir sind im Klinikalltag einfach nur billige Arbeitskräfte!"

Kaum ein Arzt hat Zeit für Lehre

Der Wille der Ärzte zu einer guten Ausbildung sei "durchaus vorhanden", so eine Antwort der Umfrage. "Aber da ein Mangel an Ärzten und hoher ökonomischer Druck besteht, hat kaum ein Arzt Zeit für die Lehre, die wir brauchen."

Allerdings haben PJler nicht nur von Frust und Beschwerden zu erzählen, wie die beiden Berichte zeigen, die ein junger Arzt und ein PJler der "Ärzte Zeitung" gegeben haben. Besonders Johannes Binder, PJler im fränkischen Erlangen, sieht sich in seiner Entscheidung, wie er das praktische Jahr angehen soll, voll bestätigt. Er ist zum ersten Tertial in eine Hausarztpraxis gegangen. "Das Tolle ist", sagt er, "ich muss selber den Kopf einschalten."

Ein junger Arzt in Weiterbildung, 33 Jahre alt, der seinen Namen lieber nicht nennen möchte, beschreibt sein PJ im Rückblick zum Teil als "tolle Zeit", zum Teil aber auch als Herumsitzerei.

Ähnlich durchwachsen erlebte auch Isabel Molwitz, die gerade ihr PJ hinter sich hat, diese Phase: "Wenn die Assistenten Zeit für unsere Fragen hatten, dann hat das PJ Spaß gemacht. Aber oftmals haben wir je nach Haus nur Aufnahmen, Entlassungen und Blutentnahmen gemacht. Feedback war selten."

Die Krankenhäuser sollten die PJler ausbilden und nicht einfach ihre Arbeitskraft einkalkulieren, meint die angehende Medizinerin. Immerhin müssen die jungen Leute nebenher ihr drittes Staatsexamen vorbereiten, das oft rasch auf das PJ folgt. So nutzen sie oft den Puffer der 30 erlaubten Fehltage im PJ zum Lernen.

"Da wäre ein vierwöchiger Abstand zwischen PJ-Ende und den Prüfungen zur Prüfungsvorbereitung wichtig", meint Molwitz. Denn wenn PJler wirklich krank werden sollten und eine Pause brauchen, "haben sie keine Zeit mehr und gehen trotzdem zum Dienst. Damit tun sie das, wovor alle Ärzte warnen: krank zur Arbeit zu gehen", sagt Molwitz. Ihr Vorschlag: Die Kranken- und Urlaubstage trennen.

Langt nicht zum Leben

"Zehn bis 15 Prozent der PJler und PJlerinnen gehen mindestens für ein Tertial des PJ ins Nachbarland Schweiz", schätzt Jana Aulenkamp, Präsidentin der Bundesvertretung der Medizinstudierenden Deutschlands (bvmd). Nicht nur wegen der guten Luft, auch nicht wegen etwa besserer Krankenhäuser. Sondern wegen des Geldes. "Dort müssen sie mit 50 Stunden zwar länger arbeiten als in Deutschland. Aber die Bezahlung ist besser und es gibt eine wesentlich bessere Betreuung für die PJlerInnen", erklärt Aulenkamp.

Davon können PJler in Deutschen Krankenhäusern nur träumen, glaubt man den Umfrage-Ergebnissen des MB. Wer als angehende Ärztin oder Arzt als PJler in einem Krankenhaus in NRW oder RLP arbeitet, kann davon in aller Regel nicht alleine leben, so der MB. Die Antworten der 299 PJler auf eine Online-Umfrage des MB zeigen: "Die jungen Leute erhalten monatlich weniger als 500 Euro Aufwandsentschädigung", sagt Thorsten Hornung, für junge Ärzte zuständiges Mitglied im MB-Landesvorstand. "Über 90 Prozent unserer befragten PJler beklagen, dass sie acht Stunden und länger in der Klinik tätig sind, sie aber von der PJ-Vergütung alleine ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können", sagt Hornung.

74 Prozent der befragten PJler erhalten weniger als 400 Euro im Monat, 22 Prozent weniger als 300 Euro, 10 Prozent weniger als 200 Euro und 3 Prozent gar kein Geld, so die Umfrage-Ergebnisse. "Da jeder vierte PJler zudem noch seine tägliche Verpflegung verrechnet bekommt, schmälert sich das monatlich zur Verfügung stehende Salär dieser PJler sogar noch weiter", sagt Hornung. PJler, die nichts oder wenig Geld erhalten, müssen nebenher arbeiten oder das Konto der Eltern anzapfen.

Tatsächlich könnten die Krankenhäuser — selbst wenn sie wollten — gar nicht beliebig tief ins Portmonnaie greifen. Denn Paragraph 3 Absatz 4 der Approbationsordnung legt fest: PJler dürfen nicht mehr Geld (oder Sachleistungen wie zum Beispiel das Essen) erhalten als den BAföG-Höchstsatz. Und der liegt bei 649 Euro, erklärt Michael Rauscher, Sprecher des Hartmannbundes (HB). Beim PJ im Ausland verändern sich die Zuschläge. Laut Hartmannbund erhalten PJler in der Schweiz zum Beispiel 1000 Franken im Monat.

"Provinzhäuser" zahlen mehr

In Deutschland liegen die Aufwandsentschädigungen laut einer Liste des Hartmannbundes für PJler (trotz der Obergrenze) zwischen 735 Euro pro Monat und gar keinem Geld. Dabei fällt auf, dass die Häuser in der Provinz oft am meisten zahlen. So sind das Neurologische Zentrum Bad Zwesten (rund 2500 Einwohner, Schwalm-Eder-Kreis) und die Helios Kliniken Bad Berleburg im Rothaargebirge die beiden Spitzenreiter auf der Liste.

Die Universitätskliniken in Nürnberg, Leipzig oder Schleswig Holstein zahlen dagegen nichts. Die Sache ist klar: Vor Häusern der Maximalversorgung in attraktiven Städten stehen die Bewerber für das PJ ohnedies oft Schlange – sie müssen nicht mit Aufwandsentschädigungen in die Provinz gelockt werden.

Auch um die Konkurrenz über Aufwandsentschädigungen zu beenden, hat der 121. Deutsche Ärztetag in Erfurt gefordert, jedem PJler monatlich 1500 Euro zu zahlen. "Es soll keinen Wettbewerb über die Höhe der Aufwandsentschädigung geben, sondern über die Qualität der Ausbildung", sagt Rauscher der "Ärzte Zeitung".

Was aber die fehlenden Curricula für die Ausbildung im PJ angeht, dürfte man den Krankenhäusern keinen Vorwurf machen, meint Thorsten Hornung vom MB. "Bis zum dritten Examen ist die Ausbildung Sache der Fakultäten. Sie müssten Ausbildungsinhalte vorlegen."

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