Leitartikel

Hessische Gesundheitspolitik in der Hand der Grünen

Während die CDU noch an ihrem Personaltableau tüftelt, haben die Grünen ihre Ministerriege bereits benannt: Die gesundheitspolitisch bislang unbedarften Parteivorsitzenden übernehmen – der erfahrene CDU-Minister Grüttner muss gehen.

Von Christoph Barkewitz Veröffentlicht:
Hessische Gesundheitspolitik in der Hand der Grünen

© © Frank Rumpenhorst / dpa / pic

Sollte bei der konstituierenden Sitzung des hessischen Landtags am Freitag kommender Woche alles planmäßig verlaufen, bedeutet dies für die Gesundheitspolitik im Bundesland erhebliche Veränderungen. Nicht nur, dass der bisherige Sozialminister Stefan Grüttner seinen Posten verlieren wird, auch das Wissenschaftsministerium und damit die Verantwortung über die Hochschulen und das Medizinstudium wird in neue Hände gelegt. Beide Häuser muss die CDU an den Koalitionspartner abgeben – das heißt, der komplette ärztliche Werdegang von Ausbildung bis zur Berufsausübung wird politisch künftig in der Verantwortung der Grünen liegen.

Ohne ein vorschnelles Urteil über die künftigen Amtsinhaber und deren Arbeit abgeben zu wollen, lässt sich Stand heute eines aber sagen: Gesundheitspolitische Expertise wird mit den beiden neuen Ressortchefs nicht einziehen. Neuer Sozialminister soll der Grünen-Landesvorsitzende Kai Klose werden. Der 45-Jährige ist zwar bereits im Sozialministerium tätig – allerdings als Bevollmächtigter für Integration und Antidiskriminierung im Range eines Staatssekretärs. Er ist Lehrer für Deutsch, Politik und Wirtschaft, fiel in seiner Rolle als Politischer Geschäftsführer seiner Partei als tüchtiger Wahlkampfmanager auf und widmete sich später als Landtagsabgeordneter vor allem Wirtschaftsthemen. Gesundheitspolitik Fehlanzeige – darum kümmert sich bei den Grünen der Abgeordnete Marcus Bocklet.

Ähnlich die Situation im Ministerium für Wissenschaft und Kunst: Das soll die Ko-Landesvorsitzende Angela Dorn leiten. Einst jüngste Abgeordnete im hessischen Landtag, ist die 36-Jährige Sprecherin für Umwelt, Energie und Klimaschutz ihrer Fraktion. Vor ihrer politischen Karriere arbeitete die Diplom-Psychologin ein knappes Jahr in der forensischen Psychiatrie Haina. Auch hier liegt die Fachkompetenz bei einem anderen Abgeordneten: Sprecher für Wissenschaft und Hochschule ist der nordhessische Abgeordnete Daniel May. Damit kommt auf Dorn die Umsetzung eines so wichtigen wie umstrittenen Vorhabens zu: Die Gestaltung einer Landarztquote, die Schwarz-Grün in ihrem am 23. Dezember unterzeichneten Koalitionsvertrag vereinbart haben.

Zugriff der Parteivorsitzenden

Fachliche Eignung hat bei der Besetzung der neuen Posten also keine Rolle gespielt. Vielmehr haben sich neben den amtierenden Ministern Tarek Al-Wazir (Wirtschaft, Verkehr) und Priska Hinz (Umwelt) die beiden Landesvorsitzenden als stärkste Personen in der Parteihierarchie die Posten gesichert.

Möglich wurde dies durch die starken Zugewinne der Grünen bei der Landtagswahl am 28. Oktober bei gleichzeitig erheblichen Verlusten der CDU. In den folgenden Koalitionsverhandlungen konnten sich die Grünen zwei zusätzliche Ministerien sichern. Prominentestes Opfer ist dabei der bisherige Sozialminister Grüttner, der das Amt seit 2010 inne hat. Ein Schwergewicht und Aktivposten im Kabinett, an dem CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier im Normalfall bei seinen Personalplanungen nicht vorbeigekommen wäre. Normalfall heißt: Der Offenbacher hätte wie mehrere Male zuvor erneut sein Landtagsmandat direkt geholt.

Doch dieses Mal unterlag der 62-Jährige dem Grünen-Kandidaten Al-Wazir und zog auch über die Landesliste nicht ins Parlament ein – das Karriereende. Nicht nur, dass künftig mit dem Grünen Klose ein gesundheitspolitisches Greenhorn das Haus lenkt, Hessen büßt damit auch erheblichen Einfluss auf Bundesebene in diesem Feld ein. Grüttner als einer der dienstältesten für die Gesundheit zuständigen Minister der Republik ist Sprecher der CDU/CSU-geführten Bundesländer in der Gesundheitsministerkonferenz. Ein Renommee, von dem Klose – zwangsläufig – noch weit entfernt ist.

Vage Andeutungen zur Telemedizin

Kloses Pflichtenheft im Koalitionsvertrag umfasst rund zehn von 192 Seiten. Während dort viele Bereiche wie die ärztliche Versorgung auf dem Land, Arbeitsbedingungen, Rolle und Finanzierung von Krankenhäusern und die Notfallversorgung durchaus detailliert abgearbeitet werden, bleibt das große Zukunftsthema in dem Papier sehr wolkig: E-Health und hierbei vor allem die Telemedizin. Zwar fallen diese Ausdrücke immer mal wieder, doch stets nur in ungefähren Andeutungen, ohne konkrete Ausführungen, was die Digitalisierung im hessischen Gesundheitswesen leisten soll oder kann.

Geschweige denn, dass diesbezüglich gar eine Strategie zu erkennen wäre. Vielleicht kommen dazu ja aber noch die großen Ideen vom künftigen „Minister für Digitale Strategie und Entwicklung“. Ein neuer Posten, den die Union für sich herausgeschlagen hat. Dies setzt allerdings voraus, dass eine genauso tatkräftige wie visionäre Figur an die Spitze gesetzt wird und der neue Job nicht nur als Versorgungsposten für ausrangierte, aber aus anderen Gründen unverzichtbare Parteisoldaten herhalten muss – leider eine häufige Krankheit in der Hessen-CDU.

christoph.barkewitz@springer.com

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Wenige Genehmigungen entzogen

KBV veröffentlicht Qualitätsbericht für 2022

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Weniger Rezidive

Hustenstiller lindert Agitation bei Alzheimer

Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“

KBV-Chef Dr. Andreas Gassen forderte am Mittwoch beim Gesundheitskongress des Westens unter anderem, die dringend notwendige Entbudgetierung der niedergelassenen Haus- und Fachärzte müsse von einer „intelligenten“ Gebührenordnung flankiert werden.

© WISO/Schmidt-Dominé

Gesundheitskongress des Westens

KBV-Chef Gassen fordert: Vergütungsreform muss die Patienten einbeziehen