TSVG-Änderungen

Spahn will gematik an die kurze Leine nehmen

Spahn will die gematik aus dem Ministerium lenken, die SPD stützt den Plan. Möglich machen soll das eine Änderung am geplanten Termineservicegesetz, an dem noch kräftig geschraubt wird.

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Um bei der Digitalisierung Dampf zu machen, will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die gematik selbst steuern.

Um bei der Digitalisierung Dampf zu machen, will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die gematik selbst steuern.

© santiago silver / Fotolia

BERLIN. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will sich den Zugriff auf die gematik sichern. In der Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) wird der Staat – vertreten durch das Bundesgesundheitsministerium – mit 51 Prozent zum Mehrheitsgesellschafter eingesetzt.

Je 24,5 Prozent der Anteile sollen demnach künftig auf den GKV-Spitzenverband sowie die anderen Gesellschafter der gematik entfallen (unter anderem KBV, BÄK und Deutsche Krankenhausgesellschaft).

Künftig würden die Gesellschafter „mit der einfachen Mehrheit der sich aus den Geschäftsanteilen ergebenen Stimmen“ entscheiden. Dem Ministerium obläge de facto künftig die Steuerungshoheit der gematik. Entscheidungsprozesse, heißt es in der Begründung, sollten „effektiver als bisher gestaltet werden“.

Der GKV-Spitzenverband, der im bisherigen Modell 50 Prozent der Gesellschafteranteile repräsentiert, reagierte bissig: Spahn mache aus der gematik „faktisch eine nachgeordnete Behörde, für die aber die GKV-Beitragszahler“ aufkommen sollen, sagte Sprecher Florian Lanz.

Zuspruch von der SPD

Die SPD-Fraktion steht hinter Spahns Vorschlag. „Es wird nicht anders gehen“, sagte Fraktionsvize Professor Karl Lauterbach am Mittwoch in Berlin.

Eine solche Lösung ergebe vor allem dort einen Sinn, wo sich die Partner der Selbstverwaltung auf Standards einigen müssten. Genau das ist zum Beispiel bei der elektronischen Patientenakte der Fall.

Aus dem 83-seitigen Antragspaket entfallen ist der Vorschlag Spahns, die Kassen sollten Paaren die Kosten für eine Präimplantationsdiagnostik (PID) zahlen. Doch Spahn wurde damit in der eigenen Fraktion ausgebremst. Das Thema ist in der Union seit der begrenzten Zulassung der PID im Jahr 2011 ein Dauerbrenner.

Die Kosten für die medizinische Behandlung und das Genehmigungsverfahren von bis zu 20.000 Euro müssen bisher allein die Betroffenen schultern.

Für die SPD-Fraktion bezeichnet Hilde Mattheis den Rückzieher der Union als „unsozial“. Aus Sicht der Union sollten nur „wohlhabende Menschen Zugang erhalten“, mutmaßt sie.

Fettabsaugung soll per Rechtsverordnung zur Kassenleistung werden

Nicht mehr im Antragskonvolut enthalten ist auch Spahns Vorstoß bei der Liposuktion. Das Verfahren, über das der Gemeinsame Bundesausschuss seit 2014 berät, sollte per Rechtsverordnung zur Kassenleistung gemacht werden. Dieses Ansinnen hatte Befremden in der Koalition und in der Fachwelt ausgelöst.

Inzwischen hat der GBA dem Ministerium einen Verfahrensvorschlag unterbreitet: Liposuktion für Patienten im Erkrankungsstadium 3 wird ab Anfang 2020 zunächst befristet für vier Jahre zur Kassenleistung.

Dabei gelten besondere Qualitätsanforderungen, Nachbeobachtungs- und Dokumentationspflichten, teilte der GBA auf Anfrage der „Ärzte Zeitung“ mit. Bei Patienten der Stadien 1 und 2 soll nach Abschluss der Erprobungsstudie, die bis 2024 dauert, entschieden werden.

Unterdessen wird das TSVG zum Vehikel von immer mehr fachfremden Änderungsanträgen; eine Auswahl:

- Upcoding: Die Koalition nimmt einen neuen Anlauf, um Diagnosen und Vergütung zu entkoppeln. Umgehungsstrategien sollen unterbunden werden. „Verboten ist sowohl eine Vergütung als Gegenleistung für die Vergabe (...) von Diagnosen als auch eine Vergütung ärztlicher Leistungen, deren Zahlung (...) an bestimmte Diagnosen (...) geknüpft wird“. Davon erfasst sein sollen auch Verträge, die auf Listen von Diagnosen beruhen.

- Notdienst: KVen und Kassen können zusätzlich zum Strukturfonds Geld zweckgebunden für die Förderung der Notdienststrukturen bereitstellen. Auch regional vereinbarte Vergütungszuschläge werden mit dieser Regelung ausdrücklich erlaubt.

- Regresse und Zufälligkeitsprüfung: Bisher können Vertragsärzte bis zu vier Jahre nach Erlass des Honorarbescheids von der Regresskeule getroffen werden. Mit dem Änderungsantrag soll diese Frist auf zwei Jahre verkürzt werden. Dies diene der „Erhöhung der Planungssicherheit“ bei Vertragsärzten. Zudem soll die Zufälligkeitsprüfung, die pro Quartal bis zu zwei Prozent der Vertragsärzte erfasst, aus dem Pflichtheft gestrichen werden. „Am Aufwand gemessen ist der Nutzen dieser Prüfungsart gering“, heißt es. Künftig bedarf es eines „begründeten Antrags“ von Kasse oder KV bei Prüfungen.

- Länderrechte im GBA: Die Länder sollen bei der Bedarfsplanung und der Qualitätssicherung die gleichen Rechte wie die Patientenvertretung bekommen, also ein Antrags-und Mitberatungsrecht. (fst/af)

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