Analyse

Für Hausärzte wenig Extra-Geld durch TSVG

KV Nordrhein warnt davor, allzu viel extrabudgetäre Vergütung durch Behandlung neuer Patienten zu erwarten. Zwischen den verschiedenen Facharztgruppen sieht es dagegen anders aus.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Der Vorsitzende der KV Nordrhein Dr. Frank Bergmann in der Arztrufzentrale NRW in Duisburg.

Der Vorsitzende der KV Nordrhein Dr. Frank Bergmann in der Arztrufzentrale NRW in Duisburg.

© Ilse Schlingensiepen

BERGISCH GLADBACH. Die Umsetzung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) wird die Kassenärztlichen Vereinigungen vor große Herausforderungen stellen. Dazu zählt der Umgang mit der Abrechnung extrabudgetärer Leistungen für die mit dem Gesetz eingeführte Gruppe der „neuen“ Patienten, erwartet der Vorstandsvorsitzende der KV Nordrhein (KVNo), Dr. Frank Bergmann.

„Wir müssen aufpassen, dass es nicht zu großen Verwerfungen und Verschiebungen zwischen den Fachgruppen kommt“, warnte Bergmann auf einer außerordentlichen Vertreterversammlung in Bergisch Gladbach.

Ab 1. August werden Leistungen für neue Patienten extrabudgetär vergütet, also für diejenigen, die zwei Jahre lang nicht in einer Praxis waren. Die KVNo hat untersucht, wie hoch der Anteil dieser Gruppe in zwei Quartalen der Vergangenheit war (3/2017 und 3/2018). Dabei hat sich eine sehr große Bandbreite gezeigt: von 13,2 Prozent bei Psychiatern bis zu 76,6 Prozent bei Humangenetikern.

Wie unterscheiden sich Haus- und Fachärzte?

Bei den Hausärzten betrug der Anteil der neuen Patienten im dritten Quartal 2018 13,4 Prozent, bei den Kinderärzten waren es 17,6 Prozent. „Die Hausärzte werden nicht so viel extrabudgetäres Geld bekommen“, prognostizierte Bergmann. Sehr groß sind die Unterschiede innerhalb der Fachärzte. So kommen die Gynäkologen auf einen Anteil von 18,5 Prozent, die Radiologen auf 56,1 Prozent und die Anästhesisten auf 60,0 Prozent.

Die KVNo müsse aufpassen, dass die während der ersten vier Quartale vorgesehene Bereinigung nur dort erfolgt, wo tatsächlich extrabudgetäre Leistungen abgerechnet wurden, betonte er. Deshalb müsse innerhalb der einzelnen Fachgruppen bereinigt werden. „Wenn wir den Topf der Fachärzte bereinigen und es nicht fachgruppenspezifisch tun, bekommen wir Riesenverwerfungen.“

Dass eine solche Neuregelung mitten im Quartal greift, bezeichnete der KVNo-Chef ironisch als „besonders prickelnd“. Ohnehin schienen den Gesetzgeber die Auswirkungen des TSVG auf die KVen und die Praxis wenig interessiert zu haben. „Die Patienten sollen möglichst problemlos in die Sprechstunden rutschen, mit allen Problemen, die damit verbunden sind.“

Auf die Ärzte komme mit dem TSVG ein hoher zusätzlicher Dokumentationsaufwand zu, auf die KVen ein gestiegener Kontrollaufwand, betonte er. „Ein Bürokratie-Abbau findet nicht statt, wir werden einen Administrations-Tsunami erleben.“

Mehr Anrufe bei Terminservicestelle

Bergmann begrüßte die Zusammenlegung der Arztrufzentrale (116.117) und der Terminservicestelle. Die Ärzteschaft habe dafür gekämpft, dass dieses Steuerungsinstrument in ihren Händen bleibt und nicht etwa zu den Krankenkassen geht. Die KVNo arbeite an der Integration der Systeme, berichtete er. Auch die Patienten-Information müsse neu aufgestellt werden.

Schon vor Inkrafttreten des Gesetzes ist in Nordrhein die Inanspruchnahme der Terminservicestelle gestiegen. Viele Bürger seien durch die Berichterstattung auf die Einrichtung aufmerksam geworden und riefen jetzt an, so Bergmann. Nach Angaben der KVNo stieg die Zahl der wöchentlichen Anrufe von 1830 Ende Februar auf 2460 Mitte März und 2745 Ende März.

Er befürchtet deshalb, dass die Terminvermittlung künftig noch mehr an Grenzen stoßen wird als ohnehin schon. Es werde noch schwieriger werden, Kollegen zu finden, die Patienten übernehmen können, denn die Personalsituation habe sich nicht geändert. „Die Arztzeit ist damit nicht vermehrbar.“

Das TSVG sei ein reines Service-Gesetz für Patienten und beantworte an keiner Stelle, wie es umgesetzt werden soll, kritisierte Bergmann. „Das hat nichts mit einer nachhaltigen Verbesserung der Versorgung zu tun.“

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