Schmerzkongress

„Es gibt Kliniken, die Schmerzmanagement gar nicht interessiert“

Speziell geschulte Schmerzexperten tragen dafür Sorge, dass Patienten möglichst wenig Schmerzen leiden. Doch die „Pain-Nurses“ sind noch zu wenig im Einsatz, so eine Meinung beim Deutschen Schmerzkongress. Wie geht es besser?

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Begutachtung einer schmerzenden Hand: Pain-Nurses kümmern sich darum, dass Patienten möglichst keine Schmerzen in Kliniken, Heimen und Hospizen haben.

Begutachtung einer schmerzenden Hand: Pain-Nurses kümmern sich darum, dass Patienten möglichst keine Schmerzen in Kliniken, Heimen und Hospizen haben.

© Andrey Popov / stock.adobe.com

Mannheim. „Stellen Sie sich vor, Sie liegen mit Schmerzen im Bett und keiner kümmert sich darum“, sagte Nadja Nestler von der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg beim Deutschen Schmerzkongress im Mannheim. Das passiere noch allzu oft in deutschen Kliniken Pflegeheimen oder Hospizen. Jeder zweite Operierte leide beispielsweise unter unnötig starken Schmerzen. Der verstärkte Einsatz pflegerischer Schmerzexperten könne nach Meinung der Expertin vom Institut für Pflegewissenschaft und -praxis Abhilfe schaffen.

Das Thema steht auch auf der Tagesordnung des viertägigen Kongresses, der noch bis Samstag in Mannheim stattfindet. Rund 2000 Teilnehmer werden erwartet – Mediziner, Psychologen, Pflegende und Apotheker. Weitere Themen bei Symposien und Workshops sind Telemedizin, E-Health und Schmerzregister.

Plädoyer für mehr Schmerzexperten

Nestler betonte, die für Erfassung von Schmerzen und deren Behandlung ausgebildeten pflegerischen Schmerzexperten müssten eine deutlich größere Rolle spielen. „Es gibt Kliniken, die Schmerzmanagement gar nicht interessiert.“ Dabei sei das gerade angesichts einer wachsenden Zahl von chronisch Kranken von Bedeutung, die Schmerzen in die Klinik mitbringen.

Auch Demenzkranke, die ihre Schmerzen nicht mehr mitteilen könnten, stellten Kliniken und Pflegeheime vor neue Hauerausforderungen, die Schmerz-Experten bewältigen könnten. Die dünne Personaldecke verführe dazu, die Kompetenz der bundesweit etwa 20 000 pflegerischen Schmerzexperten gar nicht abzurufen.

Und so sieht das Aufgabenfeld der im Fachjargon auch „Pain-Nurses“ genannten Pflegenden aus: Sie erfassen die Schmerzen eines Patienten auf einer Skala von null bis zehn, fragen nach Medikamenten und empfehlen, wenn nötig, zusätzliche. Sie schauen, dass die Patienten im Bett gut gelagert sind, dass sie, wenn gewünscht, Ablenkung erhalten, und sie thematisieren mögliche Unterstützung durch Freunde und Familie.

Patienten Angst nehmen, Experten Zeit geben

Über allem steht, die Angst vor Schmerzen zu nehmen, unter anderem durch Information und Beteiligung der Patienten. „Unser Ziel ist, dass die Kranken sich mit ihren Schmerzen aufgehoben und wahrgenommen fühlen und wir ihren Schmerz lindern können“, sagt Ruth Boche, Sprecherin der Expertengruppe Pflegeexperten Schmerz vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe.

Dafür müssten den Experten von ihrem Arbeitgeber ein Zeitrahmen für festgelegte Aufgaben gewährt werden. Nebenbei lasse sich die Behandlung von Schmerzen nicht erledigen, sagte Boche, Pflegeexpertin am Uni-Klinikum in Münster.

Was sind die Vorteile für die Klinik?

Krankenhäuser könnten ein gutes Schmerzmanagement auch für ihre Werbung nutzen, eine bessere Heilung erreichen und dadurch die Verweildauer reduzieren. Auch bei der Entlassung müssten die Patienten erfahren, welche Schmerzmittel sie wann einnehmen müssen, welche Bewegungen sie meiden und wie sie selbst zum Genesungsprozess beitragen können.

Pflegewissenschaftlerin Nestler plädierte auch für die Akademisierung der Tätigkeiten, so dass die Kooperation mit den Ärzten reibungsloser verlaufe. Deutschland hinke Ländern wie Österreich, Großbritannien, den Benelux-Ländern und Skandinavien hinterher.

Pflegerische Schmerzexperten absolvieren in Deutschland derzeit eine Fortbildung von 42 Stunden. (dpa)

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