Obama ist weiter auf Gesundheits-Reformkurs

WASHINGTON (cp). US-Präsident Barack Obama hält an seinem gesundheitspolitischen Kernziel fest : Er will 31 Millionen bisher unversicherten US-Bürgern einen Versicherungsschutz ermöglichen. Zugleich will er eine Behörde gründen, die über die Höhe der Krankenkassenbeiträge wachen soll.

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Die politischen (Rück-)Schläge des letzten Monats haben Obama und seine Reformambitionen fast in die Knie gezwungen: Erst verpasste seine eigene Partei die Gelegenheit, die geplante Gesundheitsreform unter günstigen Mehrheitsverhältnissen unter Dach und Fach zu bringen.

Dann verloren die Demokraten durch das Nachwahlfiasko in Massachusetts ihre strategische "Super"-Mehrheit im Senat, mit der sie Blockaden durch die Oppositionspartei hätten verhindern können. Die Wähler in Massachusetts bestätigten Obama nur, was nationale Meinungsumfragen schon Wochen zuvor andeuteten: dass die US-Amerikaner ihr Vertrauen in Obamas Problemlösungskompetenz verloren haben.

Obstruktionspolitik der Republikaner?

In dieser entmutigenden Situation erweist sich Obama jedoch als Kämpfernatur. Statt das Reformprojekt als unpopulär ad acta zu legen, versucht er zu retten, was zu retten ist: In seiner Rede zur Lage der Nation riskierte er es, sich bei beiden Parteien unbeliebt zu machen. Seine demokratischen Kongresskollegen warnte er davor, aus politischem Kalkül vorzeitig aufzugeben. Die Republikaner rief er auf, Konstruktives beizutragen, statt Obstruktionspolitik zu betreiben.

Seine Einladung zu einem im Fernsehen übertragenen "Gesundheitsgipfel" am 25. Februar zwingt die Opposition, ihre Ideen öffentlich auf den Tisch zu legen. Obama geht nicht mit leeren Händen zu dem Gipfel. Er hat Anfang der Woche seinen eigenen Reformvorschlag vorgelegt und damit bekräftigt, dass er weder das Ziel aufgeben will, die meisten US-Amerikaner zu versichern, noch bei den Lösungsansätzen ganz von vorn anfangen will.

So soll etwa den Kassen verboten werden, Zahlungen für die Behandlung solcher Krankheiten zu verweigern, die bereits vor Vertragsabschluss bestanden. Sein vorgelegter Entwurf sieht allerdings keine Einrichtung einer staatlichen Krankenkasse als Alternative zu den Privatkassen vor, was viele Demokraten wollen.

Opposition sieht sich auf richtigem Kurs

Die Republikaner verknüpfen unterdessen ihre Kooperationsbereitschaft mit einem Neubeginn in den Verhandlungen. Die Konservativen fühlen sich durch die jüngsten Meinungsumfragen und Wahlerfolge in ihrer Meinung bestätigt, dass das Volk keine umfassende, teure Reform will. Obama will den Gipfel dagegen ohne Zweifel dazu nutzen, die Wähler besser über die Vorteile und Details der von den Demokraten anvisierten Reform zu informieren. Er hat sicher auch die Hoffnung, dass der öffentliche Ideenaustausch eines deutlich zeigen wird: Die Republikaner würden mit keinem ihrer Ansätze das Problem der Nicht- und Unterversicherten lösen.

Je nachdem wie der Gesundheitsgipfel verläuft, gibt es für Obama und seine Partei folgende Alternativen, eine Reform doch noch umzusetzen:

  • Im kooperativen Ansatz könnten republikanische und demokratische Reformideen vereint werden. Allerdings hat es sich schon als schwierig genug erwiesen, Kompromisse in der eigenen Partei zu schließen. Und die Ideen von Republikanern und Demokraten klaffen in vielen Bereichen so weit ideologisch auseinander, dass es schwer sein wird, mehrheitsfähige Kompromisse zu erzielen. Genau aus diesem Grund waren auch die Verhandlungen zwischen den Parteien zunächst gescheitert.
  • Eine weitere Option wäre, im Alleingang den weit fortgeschrittenen Gesetzgebungsprozess zu Ende zu bringen. Das hätte den Nachteil einer vertieften politischen Polarisierung, scheint aber die realistischere Alternative. Die Demokraten könnten die vom Senat verabschiedete Reformversion adoptieren. Das würde dem Senat eine weitere Abstimmung ersparen (in dem jetzt die Drei-Fünftel-Mehrheit fehlt).
  • Eine weitere strategische Möglichkeit besteht in der "Budget Reconciliation", einem Manöver, bei dem (anerkannt haushaltsrelevante) Reformmaßnahmen mit der einfachen Mehrheit im Senat verabschiedet würden.

Obama hat sich durch die Einladung zum Gesundheitsgipfel einen Heimvorteil ergattert. Obwohl die Opposition versucht die Bedeutung des Treffens als "politisches Theater" herunterzuspielen, steht sie doch unter Zugzwang. Demonstrieren die Republikaner keinen Kooperationswillen, könnte das den Demokraten Munition für einen gesetzgeberischen Alleingang in die Hand geben.

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