Alle Jahre wieder: ein Sparpaket für Frankreichs Krankenversicherung

Die französische Regierung schnürt ein neues Sparpaket für die Krankenkassen. Kritiker monieren, dass die Wirkung wie immer zeitlich eng begrenzt sein wird.

Von D. Durand de Bousingen Veröffentlicht:
Rentner in Frankreich: Für ein Gläschen Rotwein wird es noch reichen.

Rentner in Frankreich: Für ein Gläschen Rotwein wird es noch reichen.

© imagebroker / imago

PARIS. Mit neuen Sparmaßnahmen versucht die französische Regierung, das steigende Defizit der Krankenversicherung auf 11,6 Milliarden Euros zu begrenzen. Erneut werden Patienten und Leistungsanbieter zur Kasse gebeten, aber von einer Reform, die langfristig greift, kann keine Rede sein.

So soll unter anderen die Patientenzuzahlung für verschriebene, aber nicht "lebenswichtige" Arzneimittel, von 60 auf 65 Prozent erhöht werden (lebenswichtige und unentbehrliche Arzneimittel werden je nach Art und Patient weiter zwischen 60 und 100 Prozent übernommen).

Die Selbstbeteiligung bei medizinischen Untersuchungen, die weniger als 120 Euro kosten, wird hingegen von 18 auf 24 Euro erhöht.

Insgesamt soll der neue Plan dazu führen, dass jährlich 2,5 Milliarden Euro eingespart werden können. Die Regierung, die ursprünglich auch die Patienten-Selbstbeteiligung für Arztkosten erhöhen wollte, hat nach langen Überlegungen auf diese Maßnahme verzichtet.

Kritiker monieren, dass mit solchen in der Vergangenheit schon oft realisierten Sparplänen nur die Defizite begrenzt werden. Eine Sanierung der Krankenversicherung könne so nicht gelingen, da mehr als 90 Prozent aller Franzosen über eine zusätzliche Privatversicherung verfügen, die Zuzahlungen und Selbstkosten übernimmt.

Deshalb spürten sie die Erhöhungen zunächst kaum. Experten warnen aber, dass die Zusatzversicherungen immer teurer werden, was zur Folge hat, dass einkommensschwache Patienten größere Schwierigkeiten haben, sie zu zahlen.

Die Folge: Sie specken den Umfang ihrer Privatversicherungen ab. Weil diese ihre Leistungen aber aus Kostengründen begrenzt haben, tragen viele Franzosen, ohne es zu realisieren, einen steigenden Teil der Gesundheitsausgaben selbst.

Nur die Kosten für schwerste Krankheiten und lange Behandlungen werden weitestgehend übernommen, während die üblichen Behandlungen immer öfter den Geldbeutel der Patienten belasten. 2009 gaben die Franzosen 215 Milliarden Euro für ihre Gesundheit aus.

75 Prozent dieses Betrages wurden von der Gesetzlichen Krankenversicherung ( Sécurité Sociale) übernommen, der Rest wurde von Privatversicherungen oder Privathaushalten bezahlt.

Wegen der Defizite in Milliardenhöhe müssen auch Ärzte und andere Leistungsanbieter mit steigenden Sparmaßnahmen und Kontrollen rechnen, vor allem wenn es um die Verschreibung von Arzneien geht.

Obwohl die Pauschalhonorare für Praktische Ärzte ab 1. Januar 2011 nach jahrelanger Verzögerung um einen Euro pro Fall von 22 auf 23 erhöht werden, lehnen die meisten Ärzteverbände die Gesundheitspolitik der Regierung als bürokratisch und völlig wirkungslos ab.

Niedergelassene Ärzte fordern mehr Freiheit und Spielraum bei Honoraren sowie mehr Therapiefreiheit. Krankenhausärzte und Klinikpersonal kämpfen für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen. Alle sprechen sich für eine breite Reform der Finanzierung der Krankenversicherung aus, die endlich ihre Zukunft sichern könnte.

Dafür wären neue Einkommensquellen für die Krankenversicherung sowie eine Modernisierung der bisherigen prozentualen Patientenzuzahlungen notwendig.

Doch weiß die Regierung, dass die Franzosen nur ungern breite Reformen akzeptieren, vor allem wenn sie dafür höhere Preise zahlen müssen. Vieles deutet darauf hin, dass der neue Sparplan schon in ein oder zwei Jahren um ein Nachfolge-Sparkonzept erweitert wird.

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