Bei der Arztwahl im EU-Ausland gibt es weiter Hürden

Das EU-Parlament will es Bürgern erleichtern, sich im Ausland behandeln zu lassen, doch Ausnahmen bleiben.

Von Petra Spielberg Veröffentlicht:
Das EU-Parlament in Straßburg: Freie Arztwahl für die Versicherten in der EU.

Das EU-Parlament in Straßburg: Freie Arztwahl für die Versicherten in der EU.

© dpa

STRASSBURG. Ab 2013 soll es einheitliche Regeln für medizinische Behandlungen im EU-Ausland geben. Am Mittwoch haben die Europaabgeordneten über einen entsprechenden Rechtsrahmen abgestimmt.

Das Gesetz sieht eine automatische Kostenerstattung für ambulante und - mit gewissen Einschränkungen - auch für stationäre Auslandsleistungen vor. Ferner sollen die Bürger das Recht erhalten, sich über das Leistungsangebot in anderen EU-Ländern und über Ansprüche bei Behandlungsfehlern zu informieren.

Die Zustimmung für das Regelwerk durch das Europaparlament (EP) galt als sicher, da sich Vertreter der 27 EU-Regierungen und des EP bereits Ende Dezember auf einen Kompromiss verständigt haben.

Vorschlag der Kommission liegt seit Anfang 2008 vor

Mit der Einigung geht ein jahrelanger Streit zu Ende. Bereits zu Beginn des Jahres 2008 hatte die Europäische Kommission ihren Vorschlag vorgelegt, mit dem die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Patientenmobilität in Gemeinschaftsrecht umgesetzt werden sollte. Ein erstes Urteil des EuGH auf Kostenübernahme für Auslandsleistungen war 1998 ergangen.

"Endlich wird im europäischen Binnenmarkt auch für Kranke der Weg frei gemacht, mobil sein zu können und sich in einem anderen Mitgliedstaat behandeln zu lassen", so die SPD-Europapolitikerin Dagmar Roth-Behrendt.

In den Verhandlungen sei es gelungen, eine Balance zwischen den Patientenrechten und der Organisierbarkeit der Gesundheitssysteme herzustellen.

Erfreut über die Einigung zeigt sich auch der gesundheitspolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei, Peter Liese. "Durch die Richtlinie werden die Patientenrechte endlich verbindlich festgeschrieben."

Sie regelt grenzüberschreitende Leistungen, die EU-Bürger gezielt in Anspruch nehmen wollen. Medizinische Notfälle fallen nicht unter die Vorschriften. Organtransplantationen, Impfungen und die Langzeitpflege sind ebenfalls ausgenommen.

Klinikaufenthalte müssen zuvor genehmigt werden

Bei ambulanten Behandlungen soll der Patient frei entscheiden können, in welchem Land er zum Beispiel einen niedergelassenen Augenarzt oder Urologen aufsuchen will.

Die Kosten hierfür sollen ihm zu dem im Versicherungsland geltenden Sätzen erstattet werden. Voraussetzung ist, dass die Leistung Bestandteil des heimischen GKV-Katalogs ist.

Krankenhausaufenthalte von mehr als 24 Stunden oder riskante und teure Leistungen wie eine Hüft- oder Knieoperation hingegen muss sich der Patient vorher von seiner Kasse genehmigen lassen. Dies soll verhindern, dass auf die Sozialversicherungssysteme Kosten in unüberschaubarem Maße zukommen.

Die Regeln verbieten indes eine "willkürliche" Ablehnung von Anträgen auf Auslandsbehandlung. So sollen die Kassen Genehmigungen zum Beispiel nur verweigern dürfen, wenn dieselbe Behandlung in einem vertretbaren Zeitrahmen auch im Inland möglich wäre.

Die Mitgliedstaaten können ferner Gutscheine für stationäre Behandlungen ausgeben, für die die Patienten dann nicht in Vorkasse treten müssen. Die Kliniken müssten in solchen Fällen die Bezahlung direkt mit den zuständigen ausländischen Stellen abwickeln.

Eine bessere Zusammenarbeit soll es auch bei der Diagnose und Therapie seltener Erkrankungen geben. Entsprechend spezialisierte Zentren aus allen EU-Ländern sollen einen engeren Wissensaustausch pflegen und sich gegebenenfalls Patienten zuweisen. Inwieweit das Versicherungsland hierfür die Kosten übernimmt, hängt vom Einzelfall ab.

Liese hofft, dass die Richtlinie durch die stärkere Öffnung der Systeme zu einer Verbesserung der Behandlungsqualität in den Mitgliedstaaten führen wird. "Die Richtlinie bietet aber auf jeden Fall große Chancen für das hoch entwickelte deutsche Gesundheitssystem", so der CDU-Politiker.

So könnten vor allem spezialisierte Einrichtungen und solche mit freien Kapazitäten von einem stärkeren Zustrom ausländischer Patienten profitieren.

Nach Schätzungen der EU-Kommission entfällt derzeit nur etwa ein Prozent der Gesundheitsausgaben auf Auslandsleistungen. Der Anteil der geplanten Behandlungen hieran ist nach einer Umfrage der Techniker Kasse in den vergangenen Jahren stetig gestiegen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Neue EU-Regeln sind weiße Salbe

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