Spanischer Knochenmark-Streit eskaliert

Der Streit zwischen der DKMS und Spanien kocht hoch. Der Vorwurf der Behörden: Die DKMS lügt! Die Organisation ist empört - und will rechtliche Schritte einleiten.

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Genau mein Typ? Die Protagonisten im Streit um die Knochenmarkspende werden das kaum von sich behaupten.

Genau mein Typ? Die Protagonisten im Streit um die Knochenmarkspende werden das kaum von sich behaupten.

© Olaf Döring / imago

NEU-ISENBURG (chb). Es ist eine Auseinandersetzung, bei der es Verlierer geben könnte, die mit dem Streit eigentlich gar nichts zu tun haben: Patienten, die an Leukämie leiden und dringend auf eine Knochenmarkspende warten.

Denn was sich zwischen der Deutschen Knochenmarkspenderdatei und dem Leiter der spanischen Transplantationsorganisation (ONT), Dr. Rafael Matesanz, derzeit abspielt, ist in der Sache, nämlich mehr potenzielle Knochenmarkspender zu finden, kontraproduktiv.

Die DKMS ist empört, über den Ton, den Matesanz ihr gegenüber anschlägt, und nun fest entschlossen, juristische Schritte gegen ihn einzuleiten.

In einem Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" hatte Matesanz die DKMS des Organhandels und zudem der Lüge bezichtigt. Die ONT wirft der DKMS vor, beim Anwerben von potenziellen Knochenmarkspendern gegen spanische Gesetze verstoßen zu haben.

Keine Frage von Rechthaberei

Da das Thema in den spanischen Medien intensiv diskutiert wird und Matesanz, der auch nach Meinung der DKMS sehr viel für das als vorbildlich geltende spanische Transplantationswesen getan hat, populär ist und entsprechend Gehör findet, sieht sich die DKMS gezwungen, gegen ihn vorzugehen.

"Hier geht es nicht um Rechthaberei, es geht um Menschenleben, die ohne Not einer Systemdebatte zum Opfer fallen können", sagt DKMS-Geschäftsführer Professor Stefan F. Winter.

Auslöser des Streits ist das Engagement der DKMS in Spanien. Seit Mitte Dezember versucht sie, dort Menschen zu finden, die sich für ihre Datei typisieren lassen.

Dafür wurde eigens die Fundación DKMS España gegründet. Als Unterstützer wurden sogar die außerordentlich populären Fußballstars Iker Casillas oder Superstar Cristiano Ronaldo gewonnen.

Die DKMS hält ihr Engagement vor Ort für notwendig, weil die Spanier ihrer Auffassung nach bei der Werbung potenzieller Knochenmarkspender nicht erfolgreich genug sind.

Darunter würden spanische Patienten leiden, denen mit Hilfe der DKMS geholfen werden könnte. Eine gesetzliche Vorschrift, die die Anzahl von Spenderdateien beschränkt, gibt es ihrer Auffassung nicht.

Vorwurf des Profitstrebens

Die DKMS nennt dazu Zahlen aus dem spanischen Spenderregister (REDMO): Von 262 im Jahr 2010 in Spanien vorgenommenen Knochenmarktransplantationen stammten die Transplantate bei 251 Patienten aus dem Ausland. 124 seien von der DKMS nach Spanien vermittelt worden.

Die Selbstversorgung mit Stammzellen liegt nach Angaben des DKMS-Geschäftsführers in Spanien bei 1,5 Prozent, inklusive Nabelschnurstammzellenblut bei 10,9 Prozent.

In Deutschland seien im gleichen Zeitraum 2011 Stammzelltransplantationen vorgenommen worden. Die Eigenversorgung habe hier bei 70,9 Prozent gelegen.

Als besonders rufschädigend empfindet die DKMS es auch, dass Matesanz sie immer wieder als Profitorganisation bezeichnet. "Das weisen wir als gemeinnützige Organisation mit aller Entschiedenheit zurück", sagte Winter der "Ärzte Zeitung".

Er ist ohnehin der Meinung, dass sich eigentlich nicht die DKMS für ihr Engagement in Spanien rechtfertigen muss, sondern das ONT sich fragen sollte, "warum ethisch dringend notwendige Hilfe für mit dem Tode ringenden Patienten verweigert werden soll".

Diskussionen nicht unüblich

Nach Angaben von DKMS-Gründer Professor Gerhard Ehninger, finden viele Spanier keinen geeigneten Knochenmarkspender, "weil die HLA-Muster (Gewebeverträglichkeitsmerkmale) eine andere Ausprägung haben". Abhilfe könne nur mit einer größeren Spenderdatei geschaffen werden.

Davon würde die DKMS aber durch die ONT abgehalten. "Lieber ändert Herr Matesanz die Gesetze, um unsere Arbeit zu verbieten als einzuräumen, dass man auch von uns lernen kann", schrieb Ehninger in einem Leserkommentar auf der Homepage der "Ärzte Zeitung".

Winter räumt ein, dass auch die Gründungen von DKMS Americas in den USA im Jahr 2005 sowie von DKMS Polska im Jahr 2009 schwierig gewesen seien. "Immer gibt es zu Beginn eine Phase der Diskussionen", so Winter.

Aber die Schärfe der Auseinandersetzung in Spanien sei einmalig. Jetzt hofft die DKMS, dass die neue spanische Gesundheitsmisterin Ana Mato ihr Gesprächsangebot annimmt, damit die strittigen Fragen geklärt werden.

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