Britische Anwälte machen Jagd auf Ärzte

Verklagt wegen eines vermeintlichen Kunstfehlers: In Großbritannien trifft das immer mehr Ärzte. Möglich macht es das Modell "No win, no fee", bei die Kläger kein Anwaltshonorar zahlen müssen. Ärzte berichten bereits von gestiegenen Haftpflichtprämien.

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Justitia in London: Ärzte im Visier.

Justitia in London: Ärzte im Visier.

© blickwinkel / imago

LONDON (ast). Während britische Haus- und Fachärzte als Folge immer neuer Kürzungen des Gesundheitsetats den Gürtel deutlich enger schnallen müssen, verdienen Anwälte mehr als je zuvor mit Schadenersatzklagen gegen Praxen und Kliniken.

Allein im vergangenen Jahr stiegen die Ausgaben des staatlichen Gesundheitsdienstes (National Health Service, NHS) für Schadenersatz klagen im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent.

Seit Jahren steigt in Großbritannien die Zahl jener Patienten, die ihren behandelnden Arzt oder eine Klinik verklagen. Immer öfter bedienen sich klagefreudige Patienten dabei Anwälten, die auf einer "No win, no fee"- Basis arbeiten.

Das bedeutet, der Patient kann klagen, ohne dass ihm dabei Kosten entstehen. Gewinnt der Anwalt den Prozess, bekommt er einen prozentualen Anteil der vom Richter festgelegten Schadenersatzzahlung. Das erhöht die Klagebereitschaft von Patienten.

Das Problem dieser in Europa relativ neuen Art der Verfolgung von Schadenersatzansprüchen nach ärztlichen Kunstfehlern ist, dass Juristen Patienten regelrecht ermuntern, Ärzte und Kliniken zu verklagen.

Höhere Beiträge zur Berufshaftpflicht

Experten schätzen, dass heute jedes dritte Pfund Sterling, das der NHS für die Begleichung von Schadenersatzklagen ausgibt, direkt in den Taschen der Anwälte landet.

Tendenz steigend. Großbritannien folgt dabei offenbar Amerika, wo "no win, no fee" seit vielen Jahren üblich ist.

Das Londoner Gesundheitsministerium gab kürzlich bekannt, dass als Teil der längerfristigen Finanzplanung "mindestens 15,7 Milliarden Pfund" (umgerechnet mehr als 20 Milliarden Euro) für die Begleichung von Schadenersatzklagen bereit gestellt werden.

Die Rechnung für die Begleichung von Regressansprüchen steigt derzeit jährlich um rund 13 Prozent, hieß es. Im Haushaltsjahr 2010/2011 wurde der NHS rund 8500 Mal von Patienten verklagt. Die Zahl der Klagen stieg im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent.

Ärztliche Berufsorganisationen und Gesundheitspolitiker beobachten die Entwicklung mit Sorge. Eine der Folgen der zunehmenden Klagefreudigkeit der britischen Patienten ist ein weiterhin nahezu ungebremster Anstieg der Beiträge zur ärztlichen Berufshaftpflicht.

Untersuchungen und Umfragen bei Medizinern ergaben, dass die hohen Versicherungsbeiträge junge Akademiker oftmals abschrecken, den Arztberuf auszuüben.

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