Gesetzesvorlage ist für die Schweizer "Käse"

Eindeutiges Votum in der Schweiz: Die Bürger haben sich gegen die Gesetzesvorlage ausgesprochen, die die freie Arztwahl beschränken wollte. Das Ergebnis fällt ungewöhnlich klar aus - nur unter den Ärzten nicht.

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In keinem der 26 Kantone erhielt das Vorhaben, Managed Care zum Regelfall zu machen eine Mehrheit.

In keinem der 26 Kantone erhielt das Vorhaben, Managed Care zum Regelfall zu machen eine Mehrheit.

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BERN (fst). Die Schweizer haben am Sonntag mit großer Mehrheit eine Gesetzesvorlage abgelehnt, die Managed Care zum Regelfall machen wollte. Ziel war es, die integrierte Versorgung zu fördern.

Landesweit erteilten 76 Prozent der Wahlberechtigten der Vorlage eine Absage. Eine Ablehnung in diesem Umfang ist ungewöhnlich für eine Vorlage, die von Parlament und Bundesrat kommt. In keinem der 26 Kantone erhielt das Vorhaben eine Mehrheit.

Als wichtiger Ablehnungsgrund gilt die Furcht vor einer eingeschränkten Arztwahl. Hausärzte hatten die Gesetzesvorlage unterstützt, die Mehrzahl der Ärzteverbände lehnte sie jedoch ab.

Die Verbindung Schweizer Ärzte (FMH), der rund 36.000 Mitglieder angehören, zeigte sich erfreut. Denn die "schädliche Managed-Care-Vorlage hätte die Patienten in Netzwerke zwingen können; sie hätten den Arzt ihres Vertrauens nur gegen Aufpreis behalten können", erklärte die FMH.

Dagegen bedauerte der Verband der Krankenversicherer, Santésuisse, das Votum. Das Resultat zeige, dass es schwierig ist, "im Gesundheitswesen Änderungen des Status quo durchzubringen", erklärte der Verband.

Santésuisse beklagte, das "irreführende Argument" der Vorlagengegner habe sich durchgesetzt, "die Förderung von Ärztenetzen führe zum Verlust der freien Arztwahl".

Dabei würden bereits heute 40 Prozent der Versicherten Modelle mit eingeschränkter Arztwahl bevorzugen, erinnerte der Verband.

Schweizer Gesundheitsminister: "Verpasste Chancen"

Konsterniert zeigte sich der Schweizer Gesundheitsminister Alain Berset von dem Ergebnis und sprach von einer "verpassten Chance". Denn in den Debatten sei eigentlich klar geworden, dass die Qualität der Versorgung durch mehr Koordination der Leistungserbringer verbessert werden könne.

Für Berset, der seit Ende vergangenen Jahres amtiert, kommt das Votum einem Scherbenhaufen gleich. Denn der weitere Reformkurs im schweizerischen Gesundheitswesen - dem nach den USA zweitteuersten der Welt - ist nun völlig unklar.

Die Vorschläge reichen von einer Einheitskasse bis zur Abschaffung des sogenannten Versichertenobligatoriums, dem jährlich zu zahlenden Selbstbehalt. Für keinen dieser Vorschläge, erinnerte der Minister, zeichne sich aber gegenwärtig eine Mehrheit ab.

Beset kündigte einen Bericht seines Ministeriums an, in dem Reformperspektiven aufgezeigt werden sollen. Zeitplan und inhaltliche Schwerpunkte ließ er offen.

Aus Sicht des Verbands der Krankenversicherer sind Reformen drängend: "Das Schweizer Gesundheitswesen braucht nun dringend Instrumente, um den fortschreitenden Anstieg der Kosten zu dämpfen", erklärt Santésuisse.

Nach Aufhebung eines Zulassungsstopps haben seit Jahresbeginn rund 1000 Ärzte erklärt, eine Praxis neu eröffnen zu wollen.

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