Die Schweiz sucht Ärzte

Die Bedingungen sind gut: Ärzte, die sich für eine Arbeit in der Schweiz entscheiden, können dort bei einem lukrativen Verdienst unbürokratisch arbeiten.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Helvetia ahoi! Die meisten ausländischen Ärzte, die die Koffer für die Schweiz packen, kommen aus Deutschland.

Helvetia ahoi! Die meisten ausländischen Ärzte, die die Koffer für die Schweiz packen, kommen aus Deutschland.

© Tomasz Makowski/Panthermedia

BERN. Schweizer Parlamentsvertreter wollen mehr Studienplätze einrichten und die Hausarztmedizin an den Universitäten stärken - es handelt sich dabei um Maßnahmen gegen den Ärztemangel.

Um die medizinische Versorgung an den Kliniken und in ländlichen Regionen ambulant sicherzustellen, ist die Schweiz auf Ärzte aus dem Ausland angewiesen.

Schweizweit arbeiten mehr als 16.000 Mediziner im ambulanten Bereich, darunter sind 3552 Allgemeinärzte. Etwa 800 Schweizer schließen im Schnitt jedes Jahr ein Medizinstudium ab, das reicht jedoch nicht aus, um den Bedarf zu decken.

Etwa 1000 Ärzte kommen jedes Jahr aus dem Ausland in die Schweiz, um zu arbeiten, die meisten aus Deutschland.

"In den Spitälern haben wir immer noch Ärztemangel. Wir sind auf ausländische Fachkräfte angewiesen", sagt Rosemarie Glauser vom Verband der Schweizer Assistenz- und Oberärzte (VSAO) in Bern im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Im ambulanten Bereich gebe es derzeit einige Vorstöße, um die Zulassung zu beschränken und wieder einen Zulassungsstopp für Fachärzte einzuführen. Auch Grundversorger in den Städten könnten davon betroffen sein, vermutet sie.

Der Zulassungsstopp für Fachärzte war Ende 2011 vom Bund aufgehoben worden. In der Folge hatten in den ersten fünf Monaten danach knapp 900 Mediziner, darunter 700 Fachärzte, eine neue Abrechnungsnummer beantragt - dreimal so viele wie im Jahr davor.

Krankenversicherer wie Santesuisse warnen vor einer Kostenexplosion im ambulanten Bereich.

Zu denjenigen, die ein Regulierungsinstrument fordern, gehört auch der Berufsverband der Schweizer Ärzte (FMH): "Es wäre gut, wenn die Kantone die Zulassung nach Bedarf steuern könnten", sagte kürzlich FMH-Präsident Jacques de Haller.

Claudia Brenn, Sprecherin der kantonalen Ärztegesellschaft Zürich, sieht keinen Grund, die Zulassung wieder einzuschränken. Ganz im Gegenteil, es würden vor allem Allgemeinärzte gebraucht.

Nach Angaben des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) werden bis 2030 bis zu 40 Prozent der Konsultationen in Hausarzt-Praxen nicht mehr gedeckt.

"Ärzte haben gute Chancen, in der Schweiz eine Praxis zu finden", sagt der Praxisberater Christopher Runge von der R&R Unternehmensgruppe in Berlin, die Praxen in der Schweiz vermittelt und auch Seminare für Ärzte anbietet, die sich in der Schweiz niederlassen wollen.

Gute Chancen hätten Ärzte nicht nur in ländlichen Gebieten, sagt Runge. In Städten wie Zürich, Basel oder Genf würden zunehmend Gesundheitszentren und Gemeinschaftspraxen gegründet, die Fachärzte einstellen. "Das ist ideal für Einsteiger."

Viele deutsche Ärzte, so seine Erfahrung, können sich vorstellen, in der Schweiz zu arbeiten. "Viele sind unzufrieden mit dem Bürokratieapparat in Deutschland", weiß Runge.

Sie seien Budgets, Pauschalen, Formularen und anderen Regularien überdrüssig. Eine solche Regelwut gebe es in der Schweiz nicht, zudem sei die Lebensqualität im Nachbarland hoch, die Landschaft schön, die Verdienstmöglichkeiten in der Regel besser - auch im ambulanten Bereich.

Eine Allgemeinarztpraxis sei im Nachbarland für einen Kaufpreis von etwa 450.000 Franken zu haben. Der Gewinn, den die Praxis pro Jahr mache, liege bei 300.000 Franken.

"Das lohnt sich auf jeden Fall - trotz der höheren Lebenshaltungskosten." Hinzu kämen steuerliche Vorteile und ein Vergütungssystem, das jede einzelne medizinische Leistung entlohne. Es sei auch leichter, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren.

Runge: "In der Schweiz ist am Wochenende Wochenende und Feierabend ist Feierabend."

www.rr-unternehmensgruppe.com

Deutsche Ärzte sind bereits Alltag in Schweizer Kliniken

"Die wichtigste Botschaft, die wir vermitteln wollen ist, die Leute zu sensibilisieren, dass die Schweiz ein ganz anderes Land ist, auch wenn dort in einigen Teilen Deutsch gesprochen wird", sagt Dr. Jakob Walbert von der Medizinerberatungsstelle Praxsuisse / Academix Consult AG.

Auf Seminaren - unter anderem am 13. Oktober auf der Veranstaltung "Medizin International" des Marburger Bundes in Köln - klärt Walber Ärzte über den Gesundheitsmarkt Schweiz auf und gibt Tipps zur Gründung oder zum Kauf einer Praxis. Vier solcher Seminare hält Walbert im Schnitt jedes Jahr in Deutschland.

Häufig seien die Seminarteilnehmer unsicher, wenn es um bürokratische Vorgänge gehe: Wird mein Arzttitel/Facharzt/Zusatzbezeichnungen anerkannt? Wie werden medizinische Leistungen abgerechnet? Wie viele Steuern muss ich zahlen? Immer wieder, so Walbert, komme auch die Frage: "Werde ich als Deutscher in der Schweiz akzeptiert?"

Der Praxisberater antwortet darauf gerne provozierend mit einer Gegenfrage. "Werde ich als Hamburger Hausarzt im bayerischen Wald akzeptiert?" Es hänge im Alltag sehr von der Person ab und von der jeweiligen Situation: "Wer offen auf die Menschen zugeht, ist bestimmt willkommen. Ärzte aus Deutschland sind in Schweizer Krankenhäusern und Praxen alltäglich."

www.praxsuisse.ch

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