Der ideale Strukturmix

Versuchlabor Nordeuropa

Nicht nur in Deutschland sucht man besseren Strukturen für die Gesundheitsversorgung. Auch Nordeuropa hält Ausschau nach dem richtigen Mix - und wird so zum Versuchslabor für ganz Europa.

Von Uwe K. Preusker Veröffentlicht:
Nordeuropa zeigt Flagge - auch im Gesundheitswesen.

Nordeuropa zeigt Flagge - auch im Gesundheitswesen.

© [M] gemenacom, HelleM, Maimento / fotolia.com

Finnland rühmt sich, das dezentralste Gesundheitswesen Europas, wenn nicht der Welt zu haben: Fast 350 Kommunen sind jeweils umfassend für die Gesundheitsversorgung ihrer Bürger und deren Finanzierung zuständig.

Doch das Modell, das sich auch der hohen demokratischen Kontrolldichte rühmt, die per Kommunalwahl alle vier Jahre eine Abstimmung auch über die Qualität der Gesundheitsversorgung vor Ort zulässt, stößt vielfach an seine Leistungsgrenzen.

Insbesondere kleinere Kommunen können die Gesundheitsversorgung kaum in der geforderten Qualität und Dichte sicherstellen - deshalb setzt man auf mehr Größe.

Durch freiwillige Zusammenschlüsse von Kommunen sollen größere Einheiten erreicht werden. Ziel ist eine Mindestgröße von 50.000 Einwohnern, für die dann effektiv die Gesundheitsversorgung organisiert und finanziert werden soll.

Dänemark hat diesen Schritt bereits vollzogen - aber nicht auf freiwilliger Basis. Vielmehr haben die Dänen Anfang 2007 im Rahmen einer umfassenden Gebietsreform ihre bis dahin 271 kommunen in 100 Kommunen mit einer Mindestgröße von 50.000 Einwohnern überführt und gleichzeitig die bisher 14 Ämter in nur noch fünf Regionen zusammengeschlossen.

Dänen mit Gesundheitssteuer

Bei diesen fünf Regionen liegt jetzt die Verantwortung für die ambulante und stationäre haus- und fachärztliche Versorgung.

Gleichzeitig hat Dänemark sein Finanzierungssystem grundlegend umgestellt und weicht damit nun vom klassischen nordeuropäischen Finanzierungsmodell des Gesundheitssystems durch regionale Steuern ab.

Dänemark hat ebenfalls Anfang 2007 eine landesweite achtprozentige Gesundheitssteuer eingeführt, die jeder Bürger aus seinem Einkommen zu bezahlen hat. Die Regionen erhalten aus diesem Aufkommen Zuschüsse, die rund 80 Prozent der Gesundheitsausgaben der Regionen decken.

Berechnet wird die Höhe der Zuschüsse nach Kriterien wie Demografie und Sozialstruktur der jeweiligen Region. Die übrigen 20 Prozent werden von den Kommunen beglichen - gemäß der Inanspruchnahme durch die Bevölkerung der jeweiligen Kommune.

Schweden im Experimentierstatus

Schweden dagegen geht einen Weg, der den 20 Provinziallandtagen sehr viel Freiheit lässt, die Gesundheitsversorgung zu organisieren.

Dabei nutzen etliche von ihnen die Möglichkeit, mehr und mehr Angebote auf vertraglicher Grundlage durch private Unternehmer erbringen zu lassen, andere wiederum bleiben lieber beim traditionellen öffentlichen System, setzen dabei aber vielfach neue Organisationsformen ein.

Der Erfolg dieses Vorgehens: Schweden bildet derzeit so etwas wie ein Modernisierungslabor für neue Organisationsformen in der Gesundheitsversorgung - was gut funktioniert, wird von anderen übernommen, was nicht so gut funktioniert, verschwindet wieder.

Besonders deutlich wird dies bei der Organisation der ambulanten hausärztlichen Versorgung: Hier gibt es durchgehend Wahlfreiheit für die Organisationsform. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass die Einzelpraxis schon vor vielen Jahren abgelöst wurde durch Zusammenschlüsse von Ärzten in Gesundheitszentren.

Vielfach wurden dabei die Zentren von den dort Tätigen auf der Basis vertraglicher Vereinbarungen vom früheren öffentlichen Träger übernommen. Dabei ist die Einzelpraxis weiterhin möglich - sie wird nur von den meisten Ärzten nicht gewählt!

So präsentiert sich Nordeuropa heute wie ein Versuchslabor für eine zukunftsfeste Gestaltung des Gesundheitswesens.

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