Hohe Zuzahlungen

Vorbild Skandinavien?

Zuzahlung einmal anders: In Finnland sollen die Bürger bald 65 Prozent der Arzneikosten selbst bezahlen. Einen Aufschrei gibt es nicht. Ein Modell für Deutschland?

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Uwe K. Preusker

Am 1. Februar steigt in Finnland die Selbstbeteiligung der Patienten an den Arzneimittelkosten von 51 auf 65 Prozent pro Rezept. Anders, als in Deutschland zu erwarten wäre, gab es im hohen Norden keinen Aufschrei - selbst den Zeitungen war diese Tatsache nur eine kleine Meldung wert.

Eigenbeteiligung an den Gesundheitskosten - zwischen Deutschland und Nordeuropa liegen Welten. Selbstbeteiligungen abzuschaffen, wie aktuell zum Beispiel die Praxisgebühr in Deutschland, ist nordeuropäischen Politikern fremd.

In den vergangenen 15 Jahren wurde nur eine Selbstbeteiligung abgeschafft: die für Kinder in Schweden. Den Anlass dazu bildeten Untersuchungen, die zeigten, dass Eltern auf medizinische Hilfe verzichtet hatten, nachdem die Selbstbeteiligungen für Arzt-, Zahnarztbesuche und Arzneimittel auch auf Kinder ausgedehnt wurden.

Ansonsten gilt: Vor allem beim Eintritt ins System muss der Patient dazuzahlen. Und: Nahezu alle Selbstbeteiligungen werden Jahr für Jahr der Inflationsentwicklung angepasst.

Zehn Jahre die gleiche Selbstbeteiligungs-Höhe - das wäre in Nordeuropa undenkbar, weil damit ja beide Funktionen, Steuerung und Finanzierung, schrittweise ausgehöhlt würden.

Einige Beispiele: So zahlen die Finnen beim Besuch in der Arztpraxis oder im Gesundheitszentrum beim Allgemeinarzt 13,80 Euro, und für den Besuch beim Spezialisten sind noch mal 27,50 Euro fällig.

Fällt die Konsultation in die Abend- oder Nachtstunden, kommen weitere 18,90 Euro dazu. Für Arzneimittel sind somit ab Anfang Februar 65 Prozent der Kosten eines jeden Rezeptes fällig - und das bis zu einer Jahres-Höchstgrenze von 670 Euro.

Erst ab Überschreiten dieser Grenze kann man die Mehrkosten zurück erstattet bekommen. Allerdings gibt es Sonderregelungen für chronisch Kranke.

Übersteigen die Selbstbeteiligungen die finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen, muss er beim Sozialamt entsprechende Beihilfen beantragen. Auf diese Weise soll der steuernde Effekt der Selbstbeteiligungen im Gesundheitswesen erhalten bleiben.

In den anderen nordeuropäischen Staaten ist es kaum anders. Eine Ausnahme bildet nur Dänemark. Dort ist sowohl der Arztbesuch als auch der Klinik-Aufenthalt ganz ohne Selbstbeteiligung möglich.

Doch bei Arzneimitteln und Zahnbehandlungen greifen auch in Dänemark hohe Selbstbehalte: Bis 120 Euro zahlt der Patient grundsätzlich die gesamten Kosten selbst, danach gliedert sich der Eigenanteil in Stufen. Und in Norwegen müssen alle Einwohner ab Erreichen des 20. Lebensjahres ihre Zahnarztkosten vollständig selbst tragen.

Was ist die Rationale hinter diesen - für deutsche Vorstellungen hohen - Zuzahlungen, die der Patient zu leisten hat, wenn er Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch nimmt? Die erste Botschaft: Gesundheit ist zwar ein öffentliches Gut, keinesfalls aber ein kostenloses.

Deshalb zahlt derjenige, der Gesundheitsdienstleistungen nachfragt, einen bestimmten Anteil im Augenblick der Inanspruchnahme. Die zweite Botschaft: An der Eingangstür zum Gesundheitswesen soll es eine spürbare Schwelle geben. Und diese Schwelle wird auch über Zuzahlungen definiert.

Die dritte Botschaft: Wir wollen mit Selbstbeteiligungen steuern! Deshalb werden bewusst bestimmte Leistungen ohne Selbstbeteiligung angeboten, so etwa Schutzimpfungen, Schwangerschaftsuntersuchungen und Kleinkind-Beratungen oder der schulärztliche Dienst.

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