Hungerstreik in Guantanamo

Ärzte prangern Obama an

Berlin steht still: US-Präsident Obama kommt nach Deutschland. Ob auch Guantanamo ein Thema sein wird? Wenn es nach 153 Ärzten geht, dann schon.

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Häftlinge in Guantanamo: Ärzte protestieren gegen die medizinische Versorgung.

Häftlinge in Guantanamo: Ärzte protestieren gegen die medizinische Versorgung.

© Shane T. McCoy / US Navy / dpa

BERKSHIRE. Keine Lobeshymnen für den US-Präsidenten: Während Barack Obama am Mittwoch in Berlin zum pompösen Staatsempfang erwartet wird, schlägt ihm von ärztlicher Seite scharfe Kritik entgegen.

In einem offenen Brief an Obama verurteilen jetzt 153 Ärzte die medizinischen Bedingungen im US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba.

Die Unterzeichner, zu denen auch andere Gesundheitsfachberufe gehören, fordern von dem US-Präsidenten eine bessere medizinische Versorgung für die hungerstreikenden Insassen (The Lancet 2013; online 19. Juni).

Vor fünf Monaten waren Dutzende Gefangene in einen Hungerstreik getreten. Im April stieg ihre Zahl auf über 100. Manche werden zwangsernährt. Sie protestieren gegen die Haftbedingungen, beklagen Folter und sind offenbar zunehmend frustriert über die Inhaftierung.

Manche Gefangene werden bereits seit zehn Jahren in "Gitmo" (umgangssprachlich für "Guantanamo Bay Naval Base") festgehalten. Insgesamt sind dort Berichten zufolge derzeit knapp über 160 Menschen inhaftiert. Die USA werfen den Insassen Terrorismus oder Verbindung zu terroristischen Organisationen vor.

In einem offenen Brief hatten sich jüngst 13 Gefangene gegenüber ihren behandelnden Militärärzten gegen die Zwangernährung gewehrt und unabhängige Ärzte verlangt. Die Gefangenen beklagen, dass sie den Lagerärzten nicht mehr vertrauen könnten.

"Ich kann Ihnen nicht vertrauen, weil Sie nur Ihren vorgesetzten Offizieren gegenüber verantwortlich sind, die aber von Ihnen verlangen, mich inakzeptabel zu behandeln", schrieben die Insassen. Publik gemacht hatte den Brief Ende Mai der britische "Guardian".

"Sie stellen Ihre Verpflichtung den Offizieren gegenüber über die Verpflichtung, mir als Arzt gegenüber", so ihre Klage weiter. "Das macht ein Vertrauen zu Ihnen unmöglich." Die Zwangsernährung hatten die Betroffenen als "extrem schmerzhaft" beschrieben und "im Widerspruch zur ärztlichen Ethik".

In ihrem offenen Brief flehen die Gefangenen, "dringend" unabhängige Ärzte zuzulassen. Sie sollten, so der Wunsch, von den Anwälten der Häftlinge selbst ausgewählt werden dürfen.

Kein Vertrauen zu den Ärzten

Das Pentagon hatte dieses Ansinnen jedoch mit dem Verweis ablehnt, dass noch niemals zivile Ärzte zur Behandlung in dem Gefangenenlager zugelassen worden seien.

Rückendeckung erhalten die Inhaftierten nun von den 153 Medizinern, die Präsident Obama ausdrücklich auffordern, auf die Forderung der Hungerstreikenden einzugehen.

"Es ist klar, dass sie ihren Militärärzten nicht trauen", schreiben die Unterzeichner um den britischen Arzt Frank Arnold von der Menschenrechtsorganisation Medact.

Dafür hätten die Gefangenen auch gute Gründe: Denn, "wie Sie wissen sollten", so Arnold et al. direkt an Obama gerichtet, unterstünden die Ärzte im Camp direkten Befehlen. "Die Befehle, die die Ärzte erhalten, sind letztendlich Ihre Befehle als Oberbefehlshaber", erinnern die Autoren Obama.

Tatsächlich schreibt die "Joint Task Force" in einer Arbeitsanweisung (SOP) vom 5. März vor, dass die Ärzte bei der Versorgung von Hungerstreikenden an die Vorgaben der SOP gebunden sind.

In ihr heißt es unter Punkt "III. F.", dass der JTF-GTMO-Commander, also der derzeitige Camp-Kommandeur Konteradmiral John W. Smith Jr., entscheidet, ob etwa eine Zwangsernährung eingeleitet werden soll.

Die Anweisung wurde anlässlich des derzeitigen Hungerstreiks herausgegeben und jüngst vom "Miami Herald" öffentlich gemacht.

Arnold et al. kritisieren diese Vorgaben: "Ohne Vertrauen ist eine sichere und akzeptierte medizinische Versorgung unmöglich", schreiben sie. "Das macht es dringend notwendig, dass die Gefangenen unabhängige medizinische Untersuchungen und Ratschläge erhalten, so wie es auch die UN und der Weltärztebund verlangen."

Die Autoren bieten ihre medizinische Hilfe an: "Wir unterstützen ihren Wunsch (den der Gefangenen, Anm. d. Red.) und sind bereit, sie unter geeigneten Bedingungen zu besuchen, um in ihre Genesung zu unterstützen."

Außerdem erinnern sie Obama an sein Versprechen, das Gefangenenlager auszulösen: "Wenn Sie Ihr Wort halten, dass Sie vor mehr als vier Jahren gegeben haben, und die Gefangenen freilassen, müssen sie gesundheitlich zu Kräften kommen, um dorthin ausgeflogen werden zu können, wo auch immer Sie ihre Kampftruppen befehlen, sie hinzufliegen." (nös)

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