Kommentar zur Schweiz

Die irrationale Angst vor der "Verwelschung"

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

Die Bürger der Schweiz haben in einer Volksabstimmung mit hauchdünner Mehrheit ihre Angst vor Überfremdung zum Ausdruck gebracht - und damit auch in Deutschland einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

Das erscheint bigott in zweifacher Hinsicht: Betrachtet man das Ergebnis der Volksabstimmung regional differenziert, dann ist die Furcht vor Ausländern in der Schweiz dort am höchsten, wo der Ausländeranteil niedrig ist. Genau dieses Phänomen ist auch in Deutschland zu beobachten.

Nicht Frankfurt am Main mit seinem Internationalisierungsgrad von fast 25 Prozent oder Berlin mit seinem hohen Anteil an Türken und Osteuropäern fürchten die "Verwelschung", sondern Menschen in entlegenen strukturschwachen Regionen des östlichen Deutschlands. Nicht erlebte Realität, sondern durch Hörensagen ausgelöste irrationale Angst vor dem Unbekannten ist die Ursache dieses Phänomens.

Das besondere der Volksabstimmung vom vergangenen Wochenende ist jedoch, dass die irrationale Angst in der Schweiz eine Mehrheit hat. Und das wird die Außen-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der schweizerischen Regierung vor Probleme stellen.

Denn kein Land Europas ist international derart stark mit seinen Nachbarn verflochten wie die Schweiz. Das Gesundheitswesen ist dafür ein gutes Beispiel. Aktuell arbeiten fast 9000 deutsche Ärzte in der Schweiz.

Allein in einem Jahr (2009) wanderten über 1300 ausländische Ärzte in die Alpenrepublik, darunter 862 Deutsche, von denen fast die Hälfte Frauen waren. Die weitaus meisten sind jung, absolvieren in der Schweiz ihre Weiterbildung und starten in die Karriere.

Noch stärker ist die Schweiz in Forschung und Wissenschaft abhängig vom Ausland: Fast die Hälfte aller an schweizerischen Universitäten arbeitende Professoren stammen aus dem Ausland.

Das Land kann locken mit hohen Löhnen und einer einzigartigen Lebensqualität - und es hat sich Investitionen in Humankapital in einem Ausmaß erspart, das allein in Bezug auf die Ärzteausbildung auf mehr als drei Milliarden Franken summiert.

Andererseits investieren schweizerische Unternehmen Milliarden im Ausland, so auch in Deutschland. Eines der sinnfälligsten Beispiele hierfür sind die expansiven Forschungs- und Produktionsstandorte von Hoffmann LaRoche in Mannheim (Diagnostika) und Penzberg (Biotechnologie).

Der Wohlstand der Schweiz und ihrer benachbarten Regionen resultiert aus Kooperation, Austausch und Arbeitsteilung. Und eben nicht aus ängstlicher Abschottung und Vorurteilen. Am letzten Wochenende hat leider das Vorurteil gesiegt.

Lesen Sie dazu auch: Ärzte-Zuwanderung in der Schweiz: Geschlossene Schranken kommen teuer zu stehen

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