Leitartikel

Der Feldzug britischer Ärzte gegen den Tabak

Britische Exzentrik oder sinnvoller Vorschlag? Die British Medical Association will allen nach 2000 geborenen Bürgern das Rauchen verbieten. Zwar melden sich auch kritische Stimmen zu Wort, doch die Initiative ist lobenswert. Und sie hat eine starke Lobbygruppe hinter sich.

Arndt StrieglerVon Arndt Striegler Veröffentlicht:
Werbung für das Rauchverbot anno 2007: Damals trat am 1. Juli der Kippenbann in öffentlichen Gebäuden in Kraft. Das Foto wurde 13 Tage zuvor aufgenommen.

Werbung für das Rauchverbot anno 2007: Damals trat am 1. Juli der Kippenbann in öffentlichen Gebäuden in Kraft. Das Foto wurde 13 Tage zuvor aufgenommen.

© Matt Faber / PA Photos / dpa

Dass Ärzte öffentlich vor den gesundheitlichen Gefahren des Rauchens warnen, ist nicht gerade neu. Von daher schaute beim derzeit laufenden Jahreskongress des britischen Ärztebundes (British Medical Association, BMA) im nordenglischen Harrogate erst einmal niemand so richtig hin, als das Thema Nikotinabusus auf der Tagesordnung erschien. Same procedure as every year ...

Doch was die versammelten Ärztinnen und Ärzte dann debattierten und entschieden, haute selbst gestandene gesundheitspolitische Kommentatoren vom Hocker: Die BMA verlangt von der Londoner Regierung ein neues Gesetz, welches es allen nach 2000 geborenen Bürgern verbietet, zu rauchen!

Der ansonsten eher ruhig und unspektakulär verlaufende Jahreskongress der britischen Medizinerschaft steht plötzlich weltweit in den Schlagzeilen.

Die BMA ist die gesundheitspolitisch einflussreichste und wichtigste ärztliche Berufsvereinigung in Großbritannien. Mehr als 100.000 Ärztinnen und Ärzte werden von ihr repräsentiert. Von daher ist es durchaus wichtig, was von den in Harrogate versammelten Delegierten beschlossen wird.

Der in dieser Woche mit einer großen Mehrheit gefasste Beschluss, ein Gesetz zu fordern, das allen Briten, die nach dem Jahr 2000 geboren sind, das Rauchen verbietet, ist dennoch ein Meilenstein. Noch nie hat sich die BMA derart weit aus dem Fenster gelehnt.

Dabei argumentieren die britischen Kolleginnen und Kollegen so: Nikotinabusus ist jährlich entweder direkt oder indirekt für mehrere Zehntausend Todesfälle im Königreich verantwortlich. Die volkswirtschaftlichen Schäden, die der Griff zum Glimmstängel nach sich zieht, geht in mehrstellige Milliardenhöhe.

Keine rationale Entscheidung

Gleichzeitig ist bekannt, dass die meisten Raucher in jungen Jahren mit dem Nikotinkonsum beginnen. "Wir wissen, dass bis zu 80 Prozent der Raucher im Alter von unter 20 Jahren mit dem Rauchen anfangen", sagte Dr. Tim Crocker-Burque in Harrogate. Und: "Das ist ein sehr guter Grund, um das Rauchen in jungen Jahren auch gesetzlich zu verbieten."

"Rauchen ist keine rationale Entscheidung gut informierter Erwachsener." Andere Debattenredner auf dem BMA-Jahreskongress sahen das ähnlich: "Wir als Ärzte haben eine besondere Verantwortung, alles zu unternehmen, um Patienten vom Rauchen abzuhalten", konstatierte eine Hausärztin aus London.

"Es muss darum gehen, das Rauchen zu entnormalisieren!" Dafür gab es starken Applaus. Genau wie für die Aufforderung: "Rauchen kostet Patientenleben. Lassen sie uns diesem Gräuel endlich ein für alle Mal ein Ende setzen!"

Starke Worte einer lobbymäßig starken Organisation. Dass die britische Ärzteschaft durchaus in der Lage ist, parlamentarische Entscheidungen und die Gesetzgebung in Großbritannien zu beeinflussen, zeigte sich zuletzt, als die Mediziner sich dafür einsetzten, das Rauchen in allen öffentlichen Gebäuden gesetzlich zu verbieten.

Was später aus Brüssel kam - die BMA hatte ein derartiges Gesetz zum Schutz von Nichtrauchern bereits Jahre zuvor angeregt und in die Debatte geworfen. Wobei festzustellen ist, dass das Rauchverbot heute in Großbritannien deutlich strikter eingehalten wird als zum Beispiel in Deutschland, wo man zum Beispiel in Kiez-Kneipen in Berlin überall rauchende Gäste antrifft.

Der BMA-Entschluss, das Rauchen allen nach 2000 geborenen Bürgern gesetzlich verbieten zu wollen, ist noch aus einem anderen Grund bemerkenswert: Erstmals in der Geschichte des Ärztebundes scheut man sich nicht, öffentlich die Ungleichbehandlung verschiedener Altersgruppen nicht nur zu dulden, sondern diese sogar zu propagieren.

Starke Lobbygruppe

"Das ist lächerlich und mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar", kritisierte Dr. Yohanna Takwoingi im Gespräch mit Journalisten in Harrogate. Die Ärztin hält ein solches Gesetz für nicht durchsetzbar und fürchtet, die Ärzteschaft mache sich mit derartigen Forderungen zur öffentlichen Lachnummer.

Was immer aus der mutigen und durchaus lobenswerten BMA-Initiative wird, eines ist schon jetzt sicher: Der Beschluss des britischen Ärztebundes hat die Diskussion über das Rauchen, die damit verbundenen gesundheitlichen Gefahren und den Jugendschutz wiederbelebt. Das ist eine gute Sache.

Und die gesundheitspolitische Lobbyarbeit der Ärzteschaft ist dafür bekannt, oft eben doch und gegen erhebliche Widerstände der Politiker zum Erfolg zu führen. Zu wünschen wäre es dieser Initiative allemal. Denn was könnte besser und unterstützenswerter sein als das Anliegen, junge Menschen vor einer oftmals tödlich endenden Suchterkrankung zu schützen!

Die kommenden Monate werden schnell zeigen, wie ernst es den britischen Gesundheitspolitikern mit dem Schutz gerade junger Patienten vor gesundheitlichen Gefahren wie dem Rauchen wirklich ist. Das Startsignal wurde jedenfalls ist in dieser Woche in Harrogate gegeben - ein lautes Signal.

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