Flüchtlinge in Griechenland

Ärzte prangern Missstände an

Rund 50.000 Flüchtlinge sitzen aktuell in Griechenland fest. Ihre Versorgung ist mangelhaft. Ärzte ohne Grenzen drängt angesichts des nahenden Winters auf schnelles Handeln.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:

ATHEN. Sieben Monate nach Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommens ist die Lage der Flüchtlinge in Griechenland weiter dramatisch: Mehr als 50.000 Migranten lebten "unter unzumutbaren Bedingungen und erhalten keine ausreichende medizinische Versorgung"; infolge gravierender Lücken im System würden die Schutzbedürftigen nicht vollständig erfasst und anschließend auch nicht angemessen versorgt.

Das kritisiert die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) in ihrem Report "Greece in 2016: Vulnerable People Left Behind".

Loic Jaeger, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Griechenland, kritisiert die Lage scharf: "Die Hotspots auf den Inseln haben eine Auslastung von 200 Prozent erreicht, und die Versorgung in den Lagern auf dem Festland ist mangelhaft", sagt er. "Die EU-finanzierten Maßnahmen kommen zu langsam voran, und Griechenlands Gesundheitswesen ist überfordert."

Vor allem die Schwächsten leiden

Darunter litten vor allem die Schwächsten: Menschen mit chronischen Erkrankungen und psychischen Störungen, unbegleitete Minderjährige, Schwangere.

Ärzte ohne Grenzen fordert die EU und die griechischen Behörden deswegen auf, "sich sofort den Bedürftigsten zuzuwenden und legale und gesicherte Wege für diejenigen einzurichten, die einen Anspruch auf Umsiedlung haben", um woanders in Europa aufgenommen zu werden.

Vor allem aufgrund des bevorstehenden Winters – des zweiten in Zelten – sei schnelles Handeln nötig: "Es wird seit Monaten über einen nationalen Plan gesprochen", bemängelt Jaeger. "Aber die Menschen im Norden Griechenlands leben immer noch in Zelten." Die Temperatur sei bereits jetzt auf fünf Grad gesunken.

Griechenlands Regierung hingegen bemängelt in der Umsiedlung mangelnde Unterstützung anderer europäischer Länder. Der für die Migration zuständige griechische Minister Ioannis Mouzalas erklärte jüngst im griechischen Fernsehen, er sei "verärgert" über die Haltung einiger EU-Staaten.

Nur 5000 Menschen umverteilt

Bislang seien nur rund 5000 und nicht wie vergangenes Jahr von der EU beschlossen 30.000 Menschen umverteilt worden. Die Umsiedlung geht bislang nur mühsam voran, scheint aber langsam an Fahrt aufzunehmen: So sind vergangene Woche unter anderem 111 Flüchtlinge nach Finnland ausgeflogen worden.

Für die im Land Verbleibenden verdeutlicht der Report von Ärzte ohne Grenzen die Dringlichkeit psychotherapeutischer Betreuung. "Die Menschen, mit denen wir arbeiten, haben teilweise Unvorstellbares durchlebt. Nun sitzen sie fest wie in einem Gefängnis unter freiem Himmel", sagt Christina Sideri, eine Psychologin der Organisation.

"Außerdem ist das Asylverfahren so langsam, dass viele ihre erste Anhörung erst im April oder Mai des kommenden Jahres haben. Das Warten und die Ungewissheit sind unerträglich für die Menschen."

Ärzte ohne Grenzen ist derzeit an mehr als 20 verschiedenen Orten im Land aktiv. In der ersten Hälfte des Jahres 2016 stellte die Organisation mehr als 25.000 medizinische Konsultationen in Griechenland bereit.

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