Geisterkult in Uganda

Kinder als Opfer skrupelloser Heiler

In Uganda werden Kinder für ihre Körperteile getötet. Diese werden für viel Geld an Kunden sogenannter Heiler verkauft – angeblich für Gesundheit oder Reichtum.

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KYAMPISI. Die siebenjährige Milly und ihr Bruder Taiba (15) kamen eines Tages nicht mehr nach Hause. Zwei Tage nach ihrem Verschwinden im Oktober 2016 wurden ihre Leichen in einem Sumpf unweit ihres Elternhauses gefunden. Ihre Zungen seien entfernt worden, berichtet Shelin Kasozi von der christlichen Kinderhilfsorganisation KCM in Uganda. Sie seien vermutlich Opfer skrupelloser Heiler geworden, die in ihren Ritualen menschliche Körperteile benutzen.

Die große Mehrheit der Bevölkerung des ostafrikanischen Landes ist christlich oder gehört der muslimischen Minderheit an. Trotzdem sei es für etwa 80 Prozent der Ugander normal, traditionelle Heiler aufzusuchen, schätzt der Anthropologe Epajjar Ojulu von der Uganda Christian University in Mukono. Die Heiler nutzen Kräuter, es können aber auch Hühner, Ziegen oder Schafe als Opfer dargebracht werden.

Die Geister der Vorfahren

Die Hexendoktoren singen oder versuchen, mit Glocken und Rasseln die Geister der Vorfahren zu erreichen, erklärt Ssemjija Batale, der selbst Heiler ist. "Der Geist verordnet die Medizin, die der Patient nehmen soll, oder schreibt vor, was er tun muss, um an Geld zu kommen." Die Menschen suchen die Heiler auf, um von Krankheiten geheilt zu werden, um Reichtum und Macht zu erlangen oder um einen Ausweg aus der Armut zu finden.

In drastischen Fällen versprechen die Medizinmänner Hilfe durch Menschenopfer. "Körperteile von Menschen gelten als wirksamster Bestandteil in der Magie", erklärt Ojulu. Manche Hexendoktoren suchen selbst die Opfer aus, andere verweisen ihre Kunden an Mittelsmänner, die dann die gewünschten Körperteile besorgen, wie Kenner der Szene erklären. Der Preis sei Verhandlungssache, könne aber umgerechnet mehrere Tausend Euro betragen.

Eine Zunge solle etwa Feinde zum Schweigen bringen, Genitalien wird zugeschrieben, Impotenz oder Unfruchtbarkeit zu heilen, sagt Ojulu. Auch Gliedmaßen, Augen, Zähne, Finger oder Herzen würden gehandelt, heißt es in einem Bericht der Kinderrechtsorganisation KidsRights. Laut Polizei werden auch Erwachsene für rituelle Zwecke getötet. Kinder sind aber leichtere Opfer.

Hohe Dunkelziffer

Die Mehrheit der geschätzt drei Millionen Heiler in Uganda verurteilt diese Praxis: "Menschenopfer sind nicht Teil unserer Kultur", sagt der Heiler Swaiby Lugayizi. Trotzdem nimmt die Zahl der Fälle zu. Laut Polizei wurden 2014 in Uganda 13 Kinder für solche Rituale getötet. Allein von Mai bis November 2016 waren es laut KCM 19 Kinder. Hilfsorganisationen vermuten zudem eine hohe Dunkelziffer.

Die Gründe für den Anstieg sind unklar. Das stärkere Streben nach Wohlstand könnte ein Faktor sein, mutmaßen Experten. Außerdem würden solche Verbrechen kaum verfolgt. Andererseits könnten Aufklärungskampagnen dazu geführt haben, dass mehr Fälle gemeldet werden. Berichte über Kinderopfer gibt es auch aus anderen afrikanischen Staaten wie Botsuana, Südafrika, Simbabwe, Nigeria oder Tansania.

Es gibt auch einige Kinder, die die Gräueltaten überleben – KCM kümmert sich um solche Opfer: "Diese Kinder sind gewöhnlich in einem furchtbaren Zustand. Sie schreien in Alpträumen und leiden unter Halluzinationen", sagt Kasozi, die sich im Dorf Kyampisi um die Kinder kümmert. Seit 2006 haben dort Dutzende eine Therapie bekommen.

Robert ist eines von acht Kindern, die derzeit in der Einrichtung leben. Der heute Achtjährige wurde 2013 im Haus seiner Großmutter bewusstlos in einer Blutlache gefunden. "Wir glauben, dass Roberts Angreifer ihm viel Blut abgenommen haben", sagt Kasozi. Sie vermutet auch, dass er zu Boden geworfen wurde und dabei eine Wirbelsäulenverletzung erlitt, die ihn lähmte.

Die zehnjährige Hope, der im Alter von 18 Monaten ein Teil ihrer Zunge abgeschnitten wurde, wurde danach acht Monate lang gefesselt. Sie verlor dadurch die Fähigkeit zu laufen. Außerdem habe sie wohl einen Gehirnschaden erlitten. "Die Therapeuten versuchen, ihr Vertrauen in andere Menschen wieder aufzubauen." (dpa)

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