Brexit

Britische Regierung rechnet mit dem Schlimmsten

Noch sechs Wochen, dann wird der Brexit wirksam – Stand jetzt. Pharma-Firmen und Regierung sehen große Probleme in der Versorgung, so ein internes Papier, das die Regierung jetzt auf Druck der Parlamentarier veröffentlicht hat.

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Die Pharmaindustrie warnt seit Monaten vor den möglichen negativen Folgen eines EU-Austritt Großbritanniens für Herstellung und Distribution von Medikamenten.

Die Pharmaindustrie warnt seit Monaten vor den möglichen negativen Folgen eines EU-Austritt Großbritanniens für Herstellung und Distribution von Medikamenten.

© Stuart / stock.adobe.com

LONDON. Ende Oktober könnte Großbritannien nach mehr als 40 Jahren Mitgliedschaft aus der EU ausscheiden. Geregelt ist bislang wenig, Ärzten und Patienten drohen vom 1. November an Engpässe bei Medikamenten von bislang ungeahntem Ausmaß, wie aus offiziellen Regierungspapieren hervorgeht.

Die Pharmaindustrie in Großbritannien und auch in der EU warnt seit Monaten vor den möglichen negativen Folgen eines EU-Austritt Großbritanniens für Herstellung und Distribution von Medikamenten und Medizinprodukten. Bislang blieben diese Warnungen von der Londoner Regierung freilich ungehört und wurden teils sogar als „gefährliche Panikmache“ abgetan.

Der Hammer – sechs Seiten Brexit-Folgen

Jetzt der Hammer, genauer gesagt der „Yellowhammer“. So heißt ein sechsseitiges, offizielles Papier, in dem die Londoner Regierung auflistet, was alles schief gehen kann, sollte Großbritannien bis Ende Oktober keine Einigung mit Brüssel über die Austrittsbedingungen und -formalitäten erzielen.

Premierminister Boris Johnson, der nach wie vor konsequent auf einen chaotischen Brexit ohne Abkommen hinsteuert, hatte bis zuletzt versucht, die Veröffentlichung des Dokuments zu verhindern. Doch das Unterhaus zwang ihn zur Veröffentlichung. Bezeichnenderweise quasi als letzte Amtshandlung der Parlamentarier, bevor diese von Johnson in eine beispiellose fünfwöchige Zwangspause geschickt wurden.

Engpässe können Patientenleben kosten

Pharmaka und Medizinprodukte werden laut Regierung zum großen Teil über den Ärmelkanal entweder mit Schiffen oder mit Zügen durch den Kanaltunnel ins Königreich transportiert. Dies mache sie „besonders anfällig für lange Verzögerungen“ beim Import nach Großbritannien, schreiben die Experten. Und: „Es ist nicht realistisch und auch nicht praktisch, Medikamente in großen Mengen auf Lager zu halten.“

Die Experten warnen, dass die Versorgungsprobleme bis zu sechs Monate andauern könnten. Ärzte und Industrie wiesen außerdem darauf hin, dass einige Produkte, wie sie zum Beispiel in der Onkologie eingesetzt werden, nicht lange lagerfähig sind und in jedem Fall frisch importiert werden müssen. Die Engpässe könnten daher Patientenleben kosten.

Lokale Arzneilager aufgestockt

Die Vorbereitungen in der Pharmaindustrie laufen derweil auf Hochtouren. Am Wochenende wurde bekannt, dass der Chemie- und Pharmakonzern Merck sich für einen ungeordneten EU-Austritt Großbritanniens rüstet. „Wir haben unsere lokalen Arzneilager für den Fall eines ungeordneten Brexits aufgestockt“, sagte Merck-Chef Stefan Oschmann der Deutschen Presse-Agentur in Darmstadt.

Pro Monat würden 45 Millionen Packungen Medikamente aus Großbritannien in die EU gebracht, 35 Millionen gingen umgekehrt auf die Insel, erklärte Oschmann, der in den vergangenen beiden Jahren dem europäischen Pharmaverband EFPIA vorstand. „Es wäre nicht auszudenken, wenn es zu langwierigen Grenzkontrollen käme und Patienten wichtige Medikamente fehlten.“(ast/dpa)

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