Pharmamarkt

Discounter fordert rabattgeplagte Großhändler heraus

Im Pharmagroßhandel tobt die Rabattschlacht. Ausgerechnet jetzt mischt ein neuer Anbieter mit einem Discounter-Modell den Markt auf. Er verspricht Apotheken mehr Gewinn - gegen geringeren Service.

Von Sebastian Kunigkeit Veröffentlicht:

ALZENAU. Die Stille in der Industriehalle ist eine Kampfansage an die Branche der Pharmagroßhändler. Tagsüber wirkt das Geflecht aus Förderbändern, Metallregalen und Automaten beinahe verwaist.

Erst am Abend geht es hier im bayerischen Alzenau, nahe der hessischen Landesgrenze, richtig los. Dann laufen Arbeiter mit kleinen Computern am Arm durch die langen Flure, füllen Kisten mit Tablettenschachteln.

Die Pakete landen am nächsten Morgen bei Apotheken im ganzen Land. Gepackt und geliefert wird einmal am Tag, nicht mehrmals wie bei der Konkurrenz: Der neu gegründete Großhändler AEP will den Markt mit einem Discounter-Modell aufmischen.

Das 25-Milliarden-Euro-Geschäft wird von einer Handvoll großer Anbieter dominiert, allen voran die Branchengrößen Phoenix und Celesio. Von Dutzenden regionalen Lagern aus beliefern sie mehrmals am Tag die Apotheken.

So bekommen Kranke ihr Medikament oft noch am gleichen Tag, auch wenn es in der Apotheke nicht vorrätig ist. Die Flexibilität der Großhändler sorgt bei den Apothekern für weniger Aufwand mit der Lagerhaltung und geringere Kapitalbindung.

Phagro: Ende der Fahnenstange ist erreicht

Trotzdem kommt es immer wieder zu erbitterten Rabattschlachten um die Gunst der Apotheker; zuletzt gaben Gesundheitsreformen den Anlass, die den Preisdruck erhöht haben. "Da wollte keiner Territorium preisgeben", sagt Commerzbank-Analyst Volker Braun.

Celesio warnte im Sommer, niemand verdiene mehr Geld. "In vielen Fällen ist das Ende der Fahnenstange wirklich erreicht", betont der Vorsitzende des Branchenverbands Phagro, Thomas Trümper.

Schon früher hatte Trümper der Branche wiederholt vorgeworfen, betriebswirtschaftlich nicht mehr vertretbare Rabatte zu gewähren. Davon profitieren die Apotheken, denen ein größerer Teil des Verkaufspreises bleibt.

Just in dieser Situation will sich AEP, mit der Österreichischen Post als größtem Anteilseigner, als neuer Anbieter durchsetzen.

"Vom Timing her hätte man das alles besser machen können", gibt Geschäftsführer Jens Graefe zu. "Aber für uns ist das nicht so schlimm - mit diesem Rabattniveau können wir gut leben."

AEP lockt mit 5,5 Prozent

Die Strategie des Unternehmens ist simpel: schlanke Strukturen, geringe Kosten, hohe Ermäßigungen für Apotheken. AEP hat ein zentrales Lager und liefert nur einmal am Tag. Dafür gibt es für alle Apotheken bis zu 5,5 Prozent Rabatt und Skonto.

 "Uns ist es völlig egal, ob eine Apotheke zehn Kisten oder zehn Apotheken jeweils eine Kiste nehmen", sagt Graefe. Bei anderen Pharmagroßhändlern hängt die Höhe des Rabattes unter anderem vom Volumen der Bestellungen ab.

Seit Anfang Oktober liefert AEP, das Unternehmen berichtet von einer hohen dreistelligen Kundenzahl. "AEP ist im Preis aggressiv, aber im Gegenzug machen sie Abstriche beim Service", fasst Commerzbank-Experte Braun zusammen.

"Ob es sich am Ende für die Apotheken wirklich rentiert, hängt vom Bestellverhalten ab."

Braun vermutet, dass die etablierten Großhändler die Entwicklung genau beobachten. "Wenn das Modell funktioniert, glaube ich, dass die anderen Anbieter das übernehmen." Die Konkurrenten geben sich bislang gelassen.

Wird die Lieferfähigkeit der Apotheken jetzt schlechter?

Macht das Modell Schule, müssten Kunden künftig möglicherweise ein wenig länger auf manche Medikamente warten. Der Deutsche Apothekerverband weist darauf hin, dass Wettbewerb nicht nur über den Preis läuft.

"Skonti und Rabatte sind nur ein Aspekt, denn es kommt oft auch ganz entscheidend auf die Lieferfähigkeit und den Lieferzeitpunkt an", sagt der Vorsitzende Fritz Becker. Die Patienten erwarteten, schnellstens versorgt zu werden.

Graefe argumentiert, meist hätten Apotheken ohnehin mehrere Lieferanten - könnten also eilige Medikamente weiterhin bei einem der etablierten Anbieter ordern.

"Das ist im Grunde so wie bei Aldi: Sie kaufen die Grundlast bei Aldi, und wenn Sie was Feineres wollen, gehen Sie woanders hin."

Er ist sich sicher: "Wir haben eine Marktveränderung angestoßen." Branchenverbandschef Trümper dagegen gibt zu bedenken: "Das System hat sich ja nicht umsonst entwickelt." (dpa)

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