Gesundheitsökonomie

"Forderung nach mehr Geld ist noch kein Alternativvorschlag"

Zur Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gesundheitsökonomie haben Experten auf die Bedeutung der Disziplin auch für die Versorgung hingewiesen. Deutlich wurde: Von Ärzten wird mehr Akzeptanz für die Ökonomie erwartet.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

HAMBURG. Die in vergangenen Jahren zunehmende Kritik an der "Ökonomisierung der Medizin", wie sie unter anderem auf Deutschen Ärztetagen und weiteren namhaften Veranstaltungen geäußert wurde, hatte in der Öffentlichkeit zuletzt ein mitunter verzerrtes Bild entstehen lassen: Das einer Ökonomie, die der Medizin einseitig schadet und sie einer Diktatur der Zahlen unterwirft.

Namhafte Vertreter auch aus der Ärzteschaft rückten dieses Bild auf der Jahrestagung in Hamburg nun gerade.

Der Ökonom als Feind?

Professor Ferdinand Gerlach, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) und Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, hält die Gesundheitsökonomie für wichtig, um etwa Fragen der Priorisierung und Steuerung im Gesundheitswesen beantworten zu können.

Die Kritik aus Reihen der Ärzteschaft hat er nicht immer als differenziert wahrgenommen, aber auffällig aus seiner Sicht: "Die Alternativmodelle fehlen."

Nur die Forderung nach mehr Geld, so Gerlach, sei noch kein Alternativvorschlag. Er selbst hat die Zusammenarbeit mit Ökonomen etwa im Sachverständigenrat stets als wohltuend empfunden: "Wir lernen ständig voneinander."

In zahlreichen Vorträgen wurde in Hamburg deutlich, in welchen Bereichen Gesundheitsökonomie wichtige Hinweise auf Entwicklungen im Gesundheitswesen liefern können. Ein Beispiel: Der Zusammenhang zwischen Alter und Gesundheitsausgaben.

Nach gängiger Meinung entfällt ein hoher Anteil der Gesamtausgaben im Gesundheitswesen auf die Behandlung von Patienten in den letzten Lebensjahren. Die tatsächliche Ermittlung fällt jedoch schwer, weil in aller Regel nur die stationär anfallenden Kosten eingerechnet werden.

Keine Abhängigkeit zum Alter festgestellt

Nach aktuellen Zahlen der Uni Konstanz beträgt der Anteil der Kosten, die Patienten in ihren vier letzten Lebensjahren verursachen, 20 Prozent der Gesamtausgaben. Untersucht wird in Konstanz auch, welche Erkrankungen besonders hohe Kosten verursachen. Hier ist aber keine starke Abhängigkeit zum Alter der Patienten feststellbar.

Ebenfalls häufig in der Diskussion für die Kosten im Gesundheitswesen ist die demografische Entwicklung.

Tatsächlich ist deren Einfluss auf die Kosten aber geringer als gemeinhin angenommen, wie Jona Strohmeyer von der AOK Niedersachsen verdeutlichte. Auffällig sei auch, dass dieser Einfluss in den verschiedenen Sektoren des Gesundheitswesens höchst unterschiedlich ausfällt.

Eine, die großen Wert auf die Erkenntnisse von Gesundheitsökonomen legt, ist Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks. Die SPD-Gesundheitspolitikerin stellte zur Eröffnung klar, dass sie Kostenbetrachtungen, wie sie die Gesundheitsökonomie vornimmt, im Gesundheitswesen für unverzichtbar hält.

Denn: "Ein Gesundheitswesen, das ständig steigende Beitragssätze bewirkt, verliert an Akzeptanz."

Politik muss regulierend eingreifen

Prüfer-Storcks setzt auf eine Balance zwischen Wettbewerb und Regulierung im Gesundheitswesen, um überschießende Folgen der Ökonomisierung zu verhindern.

Bestes Beispiel ist für sie die Personalsituation in der Pflege. Nach ihren Angaben befinden sich deutsche Kliniken beim Zahlenverhältnis von Pflegepersonal zu Patienten im internationalen Verhältnis in einer "schlechten Position". Deshalb sei der Eingriff der Politik an dieser Stelle richtig. "

Wir wollen, dass tatsächlich mehr Pflegepersonal eingestellt wird und nicht, dass nur zwischen den Abteilungen verschoben wird", sagte Prüfer-Storcks. Eingriffe hält sie auch bei der Verzahnung der Sektoren für überfällig. Hier folgen die Akteure nach ihrer Beobachtung bislang ökonomischen Anreizen stärker als dem Bedarf der Patienten.

Deshalb seien "neue, einheitliche Regeln" für beide Sektoren, etwa zu Codierung und Honorierung, erforderlich. Prüfer-Storcks: "Das wird das Thema der Legislaturperiode werden."

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