Tarifeinheit

Nachbesserungen auf dem Schleichweg?

Nachbesserungen zum Tarifeinheitsgesetz sollen mit einem ganz anderen Gesetz verabschiedet werden.

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BERLIN. Das Bundesverfassungsgericht hat im vergangenen Sommer der Bundesregierung aufgetragen, beim Tarifeinheitsgesetz zugunsten kleinerer Gewerkschaften nachzubessern. Das sollte bis zum Ende dieses Jahres geschehen.

Diese Pflicht soll nun erfüllt werden, aber das „wie“ treibt die betroffenen Gewerkschaften wie den Marburger Bund (MB) oder den Deutschen Beamtenbund (dbb) auf die Barrikaden.

Denn die geforderten Änderungen wurden im sogenannten „Qualifizierungschancengesetz“ untergebracht und sollen im „Omnibusverfahren“ verabschiedet werden.

Teilweise nicht verfassungskonform

„Unter dem Deckmantel des unverdächtigen Qualifizierungschancengesetzes schleust die Bundesregierung ihre TEG-Änderung in die parlamentarische Beratung ein – als zusätzlichen Artikel dieses vollkommen sachfremden Gesetzes“, kritisiert der dbb-Vorsitzende Ulrich Silberbach.

Das Verfassungsgericht hatte im Juli vergangenen Jahres das TEG teilweise als nicht verfassungskonform erklärt. Im Gesetz fehlten Vorkehrungen, die die Belange von Angehörigen einzelner Berufsgruppen oder Branchen bei der Verdrängung bestehender Tarifverträge einseitig vernachlässigten.

Bis zu einer Neuregelung dürfe ein Tarifvertrag im Fall einer Kollision im Betrieb nur verdrängt werden, wenn plausibel dargelegt werde, dass die „Mehrheitsgewerkschaft die Belange der Angehörigen der Minderheitsgewerkschaft ernsthaft und wirksam in ihrem Tarifvertrag berücksichtigt hat“, so die Richter.

Ein solcher Passus soll nun in den betreffenden Paragrafen 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes eingefügt werden. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass der Mehrheitstarifvertrag die Interessen aller unter seinen Geltungsbereich fallenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einem Ausgleich bringt, heißt es in der Begründung.

MB kritisiert

Harsche Kritik am Vorgehen des zuständigen Bundesarbeitsministeriums äußert auch der Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke.

„Besonders problematisch ist, dass die Regierung in der Gesetzesbegründung den Anschein erweckt, die Darlegungs- und Beweislast für eine nicht ernsthafte und wirksame Interessenberücksichtigung läge bei der mit Verdrängung bedrohten Minderheit“, kritisiert Henke in einer Stellungnahme.

Tatsächlich aber habe das Bundesverfassungsgericht festgestellt, die Mehrheitsgewerkschaft müsse darlegen, dass sie die Interessen der betrieblichen Minderheit ernsthaft und wirksam berücksichtige.

Wenn die Regierung es schon nicht über sich bringe, einen eigenen Irrweg zu korrigieren, sollte sie wenigstens dem Wortlaut höchstrichterlicher Urteile folgen können, so der MB-Chef. Die jetzt vorgeschlagene Änderung des Tarifeinheitsgesetzes dürfe nicht das letzte Wort sein.

MB verhandelt für Ärzte

Der MB hatte Ende 2017 mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vereinbart, sich bei Tarifverhandlungen in Krankenhäusern nicht in die Quere zu kommen.

Das heißt, der MB verhandelt für Ärzte, Verdi für die übrigen Klinikmitarbeiter. So soll vermieden werden, dass Ärztetarifverträge durch die größere Gewerkschaft Verdi verdrängt werden, wie es nach dem Tarifeinheitsgesetz möglich wäre.

In einigen Tarifverhandlungen mit Klinikträgern ist es dem MB gelungen, Tarifsicherungsklauseln zu vereinbaren, die den Fortbestand der Ärztetarifverträge sichern. Aber alle diese Vereinbarungen sind nicht so rechtssicher, als wenn das Tarifeinheitsgesetz nicht existieren würde.

Der Deutsche Beamtenbund hat im Dezember vergangenen Jahres Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen das Tarifeinheitsgesetz eingereicht. Bis hier eine Entscheidung fällt vergehen aber meistens einige Jahre. (chb)

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