Arndt Striegler bloggt

Dear Arndt! Warum sich Theresa May per Mail meldet

18 Monate hat es seit dem Brexit-Votum gedauert, um den künftigen Status der EU-Ausländer auf der Insel abzuklären. Die erste positive Nachricht seit langem im Brexit-Drama. Und dann erhielt unser Blogger Arndt Striegler auch noch Post aus der Downing Street.

Arndt StrieglerVon Arndt Striegler Veröffentlicht:
Bloggt für die "Ärzte Zeitung" regelmäßig aus London: Arndt Striegler.

Bloggt für die "Ärzte Zeitung" regelmäßig aus London: Arndt Striegler.

© privat

LONDON. Viel los in diesen Tagen in Sachen Brexit: Das Wichtigste ist natürlich, dass sich die EU und Großbritannien nach zähen und oftmals bizarr anmutenden Verhandlungen und Umwegen auf grundsätzliche Dinge wie Finanzen, die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien und Briten in der EU und die irische Grenzfrage geeinigt haben.

Und auch für das britische Gesundheitssystem (National Health Service, NHS) und Ärzte und Pflegeberufe gibt es erstmals seit langer Zeit gute Nachrichten: "Liebe NHS-Beschäftigte", schrieb der britische Gesundheitsminister Jeremy Hunt kurz nach der Einigung mit Brüssel an die mehr als eine Million im Königreich arbeitenden NHS-Bediensteten. "Dieses Land ist ihr Land, es ist ihr zu Hause. Und wir wollen, dass sie hierbleiben."

Hunt, der übrigens als Brexit-Gegner gilt, schrieb auch, dass speziell ausländische Ärzte und Krankenschwestern und -pfleger "einen sehr wertvollen Beitrag" zum britischen Volkswohl beisteuerten und es ihm ein persönliches Anliegen sei, diese Menschen zu bitten, im Land zu bleiben, auch nachdem Großbritannien im März 2019 die EU verlassen hat.

Nichts ist final ausgehandelt

Das sind erst einmal natürlich nur schöne Worte eines wortgewandten Politikers, denn der Teufel bei diesen Verhandlungen steckt weiter im Detail. Kurz nach Bekanntgabe der Einigung mit Brüssel warnten einige Politiker in London, allen voran der Brexit-Chefunterhändler David Davis: nichts sei ausgehandelt und abgemacht, bis alles ausgehandelt und abgemacht sei. Was das Misstrauen in Brüssel gegenüber London und Premierministerin Theresa May sofort wieder schürte.

Was darauf hindeutet, dass es um mehr als schöne Worte von britischen Politikern handeln könnte: Erstmals ist davon die Rede, berufliche Qualifikationen zwischen der EU und Großbritannien "weiterhin gegenseitig anzuerkennen". Was natürlich im Interesse beider Seiten liegt.

Großbritanniens Krankenhäuser und Arztpraxen würden ohne qualifizierte Ärzte und Gesundheitspersonal aus anderen EU-Ländern nicht funktionieren. Und tausende NHS-Beschäftigte haben bereits das Land verlassen, was vielerorts zu Versorgungsengpässen geführt hat. Wohlbemerkt: Auch hier müssen beide Seiten noch die Details aushandeln.

Aber zumindest scheint der gute Wille beidseitig vorhanden zu sein, die Folgen des Brexit für die nationalen Gesundheitssysteme möglichst gering halten zu wollen. Das dürfte nicht zuletzt deutsche Ärzte freuen, die in Großbritannien leben und arbeiten.

Aufatmen für Briten im Ausland

Fortschritte gibt es auch in Sachen Europäische Krankenversicherungskarte (European Health Insurance Card, EHIC). Ob die EHIC für britische Patienten nach dem Brexit langfristig gültig sein wird, darf bezweifelt werden. Zumindest ein Punkt aber ist geklärt: Diejenigen Briten, die am 29. März 2019, also an jenem historischen Tag, an dem Großbritannien offiziell die EU verlassen wird, im EU-Ausland leben, werden solange weiter von den Vorteilen der EHIC profitieren, wie sie sich im EU-Ausland aufhalten.

Das dürfte zwar nur eine kleine Zahl von Patienten direkt betreffen. Allerdings deutet die gefundene Formulierung darauf hin, dass der Krankenversicherungsschutz so lange weiter gilt, "bis der Aufenthalt oder die Behandlung beendet sind".

Spricht man in diesen Tagen in Großbritannien mit Ärzten, Krankenschwestern und -pflegern und anderen im Gesundheitswesen Tätigen, dann spürt man erstmals seit vielen Monaten einen milden Optimismus. 18 Monate sind seit dem Brexit-Referendum ins Land gegangen. 18 Monate lang war unklar, ob die mehr als drei Millionen EU-Bürger auf der Insel nach dem EU-Aus im Land bleiben dürfen.

Post von der Premierministerin

Aus persönlichen Gesprächen weiß ich, dass viele EU-Bürger dieses lange Warten auf Klarheit zermürbend und frustrierend fanden. Und der Ärger darüber, Millionen Menschen als Faustpfand im Brexit-Poker zu missbrauchen, ist auch nach dem Verhandlungsdurchbruch noch spürbar.

Da half es wenig, dass Premierministerin Theresa May vor wenigen Tagen an mich und an Millionen andere EU-Bürger in Großbritannien einen offenen Brief verschickt hat. Das handschriftlich mit "Dear Arndt" beginnende und mit "Yours Theresa May" endende Schreiben stellte trocken fest, dass die Verhandlungen "kompliziert, zeitaufwändig und schwierig" waren und dass es daher nicht früher möglich gewesen sei, uns EU-Bürgern Zukunftsgarantien zu geben. Als ich den Brief, der mich per E-Mail erreichte, einem befreundeten britischen Arzt zeigte, meinte dieser nur lakonisch: "too little, too late!"

Schlagworte:
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Rechtzeitig eingefädelt: Die dreiseitigen Verhandlungen zwischen Kliniken, Vertragsärzten und Krankenkassen über ambulantisierbare Operationen sind fristgerecht vor April abgeschlossen worden.

© K-H Krauskopf, Wuppertal

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“