Brexit

Pharma-Branche fährt Vorräte hoch

Die Ablehnung des Brexit-Abkommens durch das britische Parlament ist für die Pharma-Industrie der Worst Case. Einstweilen bleibt nur die Hoffnung, dass aufgestockte Vorräte ausreichen.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Brexit-Chaos: Im Londoner U-Bahnhof wird an den Ticketbarrieren für ein zweites Referendum über die Mitgliedschaft in der EU geworben.

Brexit-Chaos: Im Londoner U-Bahnhof wird an den Ticketbarrieren für ein zweites Referendum über die Mitgliedschaft in der EU geworben.

© Dominic Lipinski

BERLIN. Als Notvorkehrung gegen den nun offenbar bevorstehenden ungeordneten Brexit haben die Unternehmen der pharmazeutischen Industrie ihre Vorräte diesseits und jenseits des Ärmelkanals drastisch hochgefahren, um zu verhindern, dass die Versorgung von Patienten gefährdet wird.

Wegen der ausgeprägten internationalen Arbeitsteilung müssen aber auch Vorstufen in der komplexen Fertigung in weitaus höherem Maße bevorratet werden.

Nach der mit mehr als zwei Dritteln der Abgeordneten erfolgten Ablehnung des Brexit-Abkommens herrschte am Mittwoch maximale Ungewissheit über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich: harter Brexit am 29. März, Nachverhandlungen, Verschiebung des Austrittsdatums oder ein zweites Referendum sind Optionen. Aber angesichts bevorstehender Wahlen zum EU-Parlament Ende Mai bleibt nur ein schmales Zeitfenster für denkbare Nachverhandlungen.

Grenzkontrollen und Zölle?

Völlig ungeklärt ist, was ab dem 29. März an der neuen EU-Außengrenze zum Vereinigten Königreich passiert: Grenzkontrollen, Zollkontrollen, Erhebung von Zöllen.

Fraglich ist, ob Organisation und Personal bis zu diesem Datum vorhanden sind. Da viele Arzneimittel im mehrstufigen Fertigungsprozess mehrfach die Grenze queren, steigen die Kosten durch Zollbelastung und Administration.

Reaktionen darauf gab es schon nach dem Referendum: Die Exporte der EU 27 nach UK sind binnen zwei Jahren von 7,1 auf 5,1 Milliarden Euro gesunken, die britischen Exporte in die EU aber von 1,9 auf 2,4 Milliarden Euro gestiegen. Der Marktanteil der aus dem Königreich stammenden Arzneimittel in Deutschland liegt bei neun Prozent.

Arzneibehörde zeigt sich pragmatisch

Unterdessen haben sich die Arzneimittelbehörden in der EU und im Königreich auf die neue Situation eingestellt. Die britische Behörde hat angekündigt, weiterhin nach dem EU-Recht zu entscheiden und EU-Neuzulassungen binnen 67 Tagen zu übernehmen. Alle 1200 bereits von der EU zentral zugelassenen Arzneimittel bleiben auf der Insel verkehrsfähig.

Anders sieht es bei dezentral im gegenseitigen Anerkennungsverfahren zugelassenen Arzneimitteln aus: Ein Viertel dieser Arzneimittel wurden von der britischen Behörde als Rapporteur hinsichtlich Pharmakovigilanz und Änderungsanzeigen betreut, und dies erfordert zur Erhaltung der Zulassung in der EU den Wechsel des Rapporteurs.

Seit April 2018 ist die Zahl der Rapporteur-Switches sprunghaft auf teils mehr als 200 pro Monat gestiegen – aber nach Angaben von Hermann Kortland vom Bundesverband der Arzneimittelhersteller ist der Switch erst bei der Hälfte der betroffenen Arzneimittel vollzogen. Folge: Der Hersteller kann den Rapporteur nicht mehr selbst wählen, sondern bekommt ihn zugeteilt.

Die Hauptlast trägt das deutsche BfArM mit 486 neu aufgenommenen Arzneimitteln, gefolgt von Irland und den Niederlanden.

Es hat damit rund 25 Prozent dieser sogenannten RMS-Switches übernommen und dafür 21 neue Stellen geschaffen, wie die Behörde auf Anfrage der „Ärzte Zeitung“ mitteilte.

Lesen Sie dazu auch: Großbritannien: Ärzte sehr enttäuscht über Brexit-Votum Brexit;: Pharmabranche fürchtet chaotische Zustände Fiasko für May: Parlament schmettert Brexit-Abkommen ab

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