Kathrin Vogler im Porträt

Gerechte Gesundheit als Leitmotiv

Aus der Friedensbewegung in die Gesundheitspolitik – und zurück? Zum dritten Mal kandidiert Kathrin Vogler für ein Bundestagsmandat. Doch will die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken nicht unbedingt eine Amtsverlängerung.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:
Besuch bei „Pflege am Boden“: Linken-Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler beim Wahlkampf in Köln.

Besuch bei „Pflege am Boden“: Linken-Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler beim Wahlkampf in Köln.

© Jana Kötter

KÖLN. Ein Pfleger sitzt verzweifelt am Boden, um ihn herum Fäkalien, eine blutende Patientin, leere Spritzen: Es ist ein starkes Bild, das die Passanten auf der Kölner Domplatte stehenbleiben lässt. "Wir geben uns heute ein Stelldichein: Die Pflege ist am Boden, das kann nicht sein", singen der ehemalige Krankenpfleger Tommy Reichle und Jana Langer neben der Installation von Künstlerin Rosa Jones. Neben ihnen: Angehörige Pflegebedürftiger, Pflegekräfte, andere Gesundheitsberufe, neugierige Passanten, eine Handvoll Bundestagsabgeordnete. Unter ihnen: Kathrin Vogler.

Die Abgeordnete der Linken kennt die Initiative "Pflege am Boden", die den Protest an diesem Samstag inszeniert hat, gut. "Es ist wichtig, dass in dieser Form auf die Missstände in der Pflege aufmerksam gemacht wird", sagt Vogler und dankt den Künstlern für ihr Engagement.

Sie hat "Pflege am Boden" bereits für den Clara-Zetkin-Frauenpreis ihrer Partei nominiert. "Diese skandalösen Zustände können wir nicht weiter hinnehmen."

"Quer durch die Republik"

Kathrin Vogler

  • Geboren 1963, verheiratet, eine Tochter (17 Jahre)
  • 1983-1990 Studium der Soziologie an der Uni Münster, ohne dieses jedoch abzuschließen

  • 1990er Jahre: Leiterin der Deutschen Friedensgesellschaft, später Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung

  • 2009 Einzug in den Bundestag

  • Seit Dezember 2015 gesundheitspolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion

Es ist das zentrale Motiv für ihr Engagement, das hier deutlich wird und das sich auch in der Installation vor dem Kölner Dom findet: "Gerechtigkeit" steht in blassen Lettern auf dem Buch zu Justizias Füßen.

17 Jahre lang SPD-Mitglied, kehrte Vogler den Sozialdemokraten 2001 den Rücken. Der Anlass: die "geschlossene Unterstützung der SPD-Fraktion im Bundestag für den Krieg gegen Afghanistan". Vogler ist als Friedensaktivistin in die Politik gekommen, und auch als Gesundheitspolitikerin will sie für Gerechtigkeit eintreten. 2005 ist Vogler in die WASG eingetreten, aus der sich 2007 Die Linke formierte.

Seit 2009 sitzt Vogler für die Partei im Bundestag und ebenso lang im Gesundheitsausschuss. Mit der Position der gesundheitspolitischen Sprecherin der Fraktion kamen seit Ende 2015 immer mehr Termine wie in Köln – knapp 200 Kilometer von ihrem Wahlkreis entfernt – hinzu. "Seither bin ich quer durch die Republik unterwegs."

Die Nähe zur Heimat – seit dem Kindergartenalter lebt Vogler in Emsdetten – ist dem "linken Landei", wie sie sich selbst nennt, jedoch wichtig. In der nordrhein-westfälischen Idylle denken viele, sie sei eine Exotin.

Dabei nennt sie sich selbst "bodenständig", vor allem in ihrer Freizeit: Kraft schöpft Vogler aus dem Gärtnern, dem Zusammensein mit Freunden und Familie. Und auch bei den Presseterminen verkörpert sie das, wenn sie in Jeans, Turnschuhen und neongelber Regenjacke neben Professor Karl Lauterbach (SPD) steht.

Mit dem Ressort warm geworden

Während der als Mediziner eine "natürliche" Nähe zur Gesundheitspolitik hat, ist Vogler das Ressort erst mit der Zeit ans Herz gewachsen – Herzenswunsch zumindest war der Schritt in die Gesundheitspolitik keiner.

"Den letzten beißen die Hunde", sagt Vogler und lacht. "Die Gesundheitspolitik ist kein Ressort, mit dem man sich populär macht. Dafür sind zu viele mächtige Interessen im Spiel." Aber: Gesundheitspolitik sei auch wichtiger Teil der Sozialpolitik.

Dabei kennt sie viele der Themen – und vor allem die Pflege, für die sie heute auf der Domplatte steht – auch aus dem privaten Kontext: Neben der Tätigkeit als Bundestagsabgeordnete hat sie lange ihre Mutter gepflegt, bereits mit 13 Jahren war sie Mitglied der Malteser-Jugend. 2015 machte Vogler öffentlich, an Multipler Sklerose (MS) erkrankt zu sein.

Auch aufgrund dieser eigenen Betroffenheit weiß sie, wo noch etwas getan werden muss. Das Patientenrechtegesetz von CDU und FDP habe "seinen Namen nicht verdient", kritisiert sie. "Hier muss dringend noch nachgebessert werden."

Auch in der Arzneimittelpolitik – ihr Thema innerhalb der Fraktion – sieht sie Nachbesserungsbedarf: Jeder Patient müsse Zugang zu einer wirksamen und bezahlbaren Therapie haben, die Preisentwicklung neuer Medikamente angegangen werden. Und für Lieferengpässe wünscht sich Vogler eine europäische Lösung.

Für den erleichterten Zugang zu Cannabis als Medizin lobt Vogler die Regierung der vergangenen Legislaturperiode – ebenso wie für die Fortschritte in Hospiz- und Palliativversorgung. Aber: "Ich höre in letzter Zeit immer öfter von Patientenbeschwerden, weil die Kostenerstattung von den Kassen nicht genehmigt wurde. Hier müssen wir Druck auf die Kassen ausüben, dass aus dem Gesetz auch Versorgungsrealität wird."

Hoffen auf Rot-rot-grün

Den Druck auf die Kassen würde sie auch in Sachen Hebammenversorgung verstärken wollen, wie sie wenige Stunden zuvor als Gast des Hebammenverbandes betont. "Wir müssen das Recht der Frauen auf eine Hebamme im SGB V verankern, sodass sich die Kassen hier nicht aus der Verantwortung stehlen können." Für ihre Kritik – auch am jüngsten Schiedsspruch – erntet sie von den Hebammen und Müttern Applaus, während vor der Bühne die Kinder spielen.

Gerechtigkeit in der Gesundheit – ganz gleich ob zum Lebensstart oder -ende – hat für Vogler viele Facetten: eine faire Bezahlung der meist weiblich besetzten Gesundheitsberufe, eine "gute Gesundheitsversorgung für alle", keineswegs eine zunehmende Ökonomisierung.

Die Opposition ist sie gewohnt, lässt aber auch durchblicken, dass es aus ihrer Sicht reicht: "Klar wäre es schön, all die Ideen auch einmal als Regierungspartei einzubringen und umzusetzen", sagt Vogler. Rot-rot-grün ist in ihren Augen das "einzig realistische Szenario", und das fände sie durchaus spannend: "Immerhin gibt es unter uns dreien auch allerhand Reibungspunkte, und es wäre schon spannend zu sehen, wie sich die Zusammenarbeit gestaltet."

Über ihre nunmehr dritte Kandidatur für den Bundestag macht sie sich keine Gedanken. Sie steht auf Platz sieben der Landesliste – 2013 rückten die ersten zehn in den Bundestag ein. Sie würde wohl weiter gesundheitspolitische Sprecherin bleiben, sagt sie. Doch Vogler macht kein Geheimnis daraus, dass sie auch ein Wechsel reizen würde. "Internationale Politik" etwa – hier fühlt sich die Friedensaktivistin zuhause. Und auch hier gibt es in Sachen Gerechtigkeit viele Felder zu beackern.

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