Nach der Bundestagswahl

Ärzte warnen vor zu viel Muße in der Gesundheitspolitik

Das Volk hat entschieden, das Ergebnis ist kompliziert: Union, FDP und Grüne nähern sich ersten Gesprächen. Ärztepräsident Montgomery bietet der künftigen Regierung die Kooperation an –  und warnt vor Stillstand im Politikbetrieb.

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Stillstand durch langwierige Koalitionsverhandlungen können wir uns nicht leisten: Ärztepräsident Professor Frank Ulrich Montgomery.

Stillstand durch langwierige Koalitionsverhandlungen können wir uns nicht leisten: Ärztepräsident Professor Frank Ulrich Montgomery.

© S. Pilick

BERLIN. Das von der Bundestagswahl ausgelöste politische Erdbeben konfrontiert auch die Vertreter der Selbstverwaltung und von gesundheitspolitisch engagierten Verbänden mit einer neuen Situation.

„Keine leichte Situation“ – aber Gesprächsangebot an alle Parteien im Bundestag: KBV-Vorstandschef Dr. Andreas Gassen.

„Keine leichte Situation“ – aber Gesprächsangebot an alle Parteien im Bundestag: KBV-Vorstandschef Dr. Andreas Gassen.

© Alex Kraus

» KBV: "Die Wähler haben entschieden. Das Ergebnis ist eine politisch herausfordernde und nicht leichte Situation", sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen am Dienstag der "Ärzte Zeitung". Mit der neu in den Bundestag eingezogenen Alternative für Deutschland (AfD) wollen die Vertragsärzte umgehen wie mit anderen Parteien auch. "Was die KBV angeht: Wir haben schon immer mit allen bisher im Bundestag vertretenen Parteien Gespräche geführt", machte Gassen klar. Das gelte auch für die FDP, die im vergangenen Bundestag nicht vertreten war.

» Bundesärztekammer: "Die gesundheitspolitischen Herausforderungen bleiben die Gleichen, auch wenn wir jetzt über Regierungskonstellationen sprechen, die vorher für viele undenkbar waren", sagte Ärztepräsident Professor Frank Ulrich Montgomery der "Ärzte Zeitung". "Stillstand durch Koalitionsverhandlungen können wir uns nicht leisten." Als dringend bezeichnete er eine Reform des Medizinstudiums, eine deutliche Entlastung der Notfallversorgungsstrukturen und Sofortmaßnahmen zum Abbau des Investitionsstaus in Kliniken. Eine durchdachte Digitalisierungsstrategie und die Weiterentwicklung des dualen Krankenversicherungssystems, inklusive GOÄ-Novelle, stünden ebenfalls auf der Agenda. Die Ärzteschaft sei bereit auch künftig "vertrauensvoll und konstruktiv mit Parlament und Regierung zusammenzuarbeiten."

» Deutsche Krankenhausgesellschaft: Die Deutsche Krankenhausgesellschaft sieht nach Angaben von Hauptgeschäftsführer Georg Baum auch unter einer Regierung aus Union, FDP und Grünen die Chance, "dass die Belange der Krankenhäuser von der Politik wahrgenommen und berücksichtigt werden". Nun müsse es darum gehen, Fragen der Daseinsvorsorge, der Sicherung von Versorgung in strukturschwachen Regionen und das Fachkräfteproblem aktiv anzugehen, sagte Baum.

Auch Jamaika bietet die Chance, dass Belange der Kliniken gehört werden: Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Krankenhausgesellschaft.

Auch Jamaika bietet die Chance, dass Belange der Kliniken gehört werden: Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Krankenhausgesellschaft.

© DKG

» Pflegedirektoren: Auf den letzten Metern des Wahlkampfs hatte tatsächlich noch ein gesundheitspolitisches Thema eine Rolle gespielt: die Pflege. Jetzt fordern die Pflegedirektoren der Universitätskliniken ein, was die Wahlkämpfer versprochen haben. Ihr Verband VPU hat an die Parteien appelliert, ihre Wahlversprechen in die Tat umzusetzen. "Jetzt zeigt sich, welcher der Kandidaten seine Versprechen ernst gemeint hat – und wer die große Wählergruppe der beruflich Pflegenden im Wahlkampf instrumentalisiert hat, um sich auf den letzten Metern wichtige Stimmen zu sichern", mahnt Torsten Rantzsch, Vorstandsvorsitzender des VPU.

Die Pflegedirektoren fordern verbindliche Personalschlüssel, den Einsatz des gesetzlichen Pflegezuschlags für das Personal, eine zügige Akademisierung der Pflege und politische Unterstützung beim Aufbau von Pflegekammern in den Ländern.

» Diakonie: Die Diakonie drang darauf, die neue Bundesregierung möge die Bildungsgerechtigkeit zu einem Topthema der Legislatur machen. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie forderte, die soziale Herkunft eines Kindes dürfe "nicht länger über seine Bildungschancen entscheiden", sagte Lilie. Zum Dachverband der Diakonischen Werke der evangelischen Landes- und Freikirchen gehören bundesweit rund 30.000 stationäre und ambulante Dienste wie Pflegeheime, Krankenhäuser, Kitas, Beratungsstellen und Sozialstationen mit 470.000 Mitarbeitern. Vertreter des GKV-Spitzenverbands wollten sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zum Wahlausgang äußern. (af/fst)

Lesen Sie dazu auch: Koalitionssondierung: Quälende Konsensfindung ist eine Chance für Ärzte

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