Flüchtlinge

Medizinische Versorgung bleibt prekär

Der Flüchtlingszustrom hält unvermindert an. Die medizinische Versorgung wird von vielen Ärzten getragen, die sich ehrenamtlich engagieren. Die Defizite bei der Vorbeugung von Infektionen sind noch kein Risiko für die Allgemeinbevölkerung.

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Flüchtlinge aus Ungarn warten am Sonntag an der Grenze bei Nickelsdorf auf die Weiterreise.

Flüchtlinge aus Ungarn warten am Sonntag an der Grenze bei Nickelsdorf auf die Weiterreise.

© Herbert P. Oczeret / dpa

NEU-ISENBURG. Angesichts des anhaltenden Flüchtlingszustroms wächst bei Infektiologen die Sorge vor einer Ausbreitung insbesondere von Tuberkulose (Tb).

Seit 2014 habe sich die Zahl der Tb-Fälle verzweieinhalbfacht, so Professor Tobias Welte von der Medizinischen Hochschule Hannover.

Derzeit seien alle Tb-Betten in pneumologischen Kliniken belegt, in Heidelberg seien neue Stationen eröffnet worden. Ein weiteres Problem seien ESBL-bildende gramnegative Bakterien, so der Laborarzt Professor Franz-Josef Schmitz beim Sepsis Update in Weimar.

Gleichwohl sieht das Robert Koch-Institut "im Moment keine Gefahr für die Allgemeinbevölkerung", so der Infektionsspezialist Andreas Gilsdorf.

Aufgrund der harten Bedingungen der Flucht seien die Menschen anfälliger für Krankheiten, auch weil sie nicht ausreichend geimpft seien. Umso wichtiger sei, dass die Bevölkerung einen ausreichenden Impfschutz habe, etwa gegen Masern.

Engpässe bei Unterkünften könnte ansteckende Krankheiten fördern

Ein Großteil der Krankheiten, die bei Flüchtlingen möglich seien, könnten nur bei engem Körperkontakt ansteckend sein, so Gilsdorf.

Das hänge aber von der Qualität der Unterkünfte ab. Gerade hier entstehen im Moment große Engpässe, viele Flüchtlinge sind unzulänglich und auf engstem Raum in Zeltstädten untergebracht.

Die medizinische Versorgung basiert zu erheblichen Teilen auf individuellem ehrenamtlichen Engagement von Ärzten und Helfern.

Es mangelt aber an professionellen Strukturen, insbesondere um Infektionskrankheiten systematisch vorzubeugen.

So gibt es derzeit keine Impfprogramme. "Im Moment ist keine ausreichende ärztliche Versorgung gewährleistet", konstatiert der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Frank Ulrich Montgomery.

KV Thüringen: Flüchtlingsversorgung hat hohe Priorität

Unterschiedlich sind die Reaktionen der KVen: In Thüringen will die KV der Flüchtlingsversorgung hohe Priorität zumessen - und hat deshalb die Organisation von Terminservice-Stellen hinten angestellt.

Scharfe Kritik kommt vom nordrheinischen Hausärzteverband an der KV Nordrhein: Deren Vertreterversammlung beschäftige sich mit Satzungsänderungen, Wahlordnungen und Gehaltserhöhungen - aber nicht mit akuten gesundheitspolitischen Themen.

Drängende Fragen zum Impfstoffmangel und zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und zur Notfallversorgung würden zurückgestellt.

Die Initiative zur Versorgung von Asylbewerbern geht auch dort von der Basis aus: Auf Anregung des Hausärzteverbandes hatten sich Mitte vergangener Woche 25 Allgemeinärzte aus der Region Aachen über die administrativen Abläufe gemeinsam mit dem Gesundheitsamt informiert. (HL, ner, mit dpa-Material)

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