Berlin

Flüchtlinge ziehen vor Gericht

Ärger in Berlin: Flüchtlinge und Ärzte wenden sich wegen der Zustände in der Hauptstadt inzwischen an das Sozialgericht - und die Ärztekammer richtet klare Forderungen an den Senat.

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BERLIN. Die Mängel in der Versorgung von Flüchtlingen in Berlin beschäftigen immer öfter auch das Sozialgericht. Um einen Behandlungsschein für den Arztbesuch zu bekommen, ziehen etwa Flüchtlinge vor das Gericht.

Ein Arzt klagt gegen die für die Flüchtlinge zuständige Behörde, um nach einem Jahr endlich Leistungen, die er aufgrund eines amtlichen Kostenübernahmescheins erbracht hatte, bezahlt zu bekommen.

Nach Angaben des Berliner Sozialgerichts handelt es sich um einen Betrag von rund 800 Euro. Trotz mehrfacher Mahnung habe das Landesamt für Soziales und Gesundheit (Lageso) die Behandlungen bisher nicht bezahlt.

Grund dafür ist vermutlich die Überlastung der Behörde. Denn, so Gerichtssprecher Dr. Marcus Howe: "Anhaltspunkte, dass die Forderung des Arztes dem Grunde nach bestritten wird, gibt es nicht".

Angespannte Lage in Berlin

In zwei Fällen wurde das Lageso vom Sozialgericht bereits verpflichtet, Flüchtlingen einen Behandlungsschein auszustellen. Im Gegensatz zu zwei anderen Flüchtlingen hatten sie glaubhaft gemacht, an einer akuten Erkrankung oder Schmerzzuständen zu leiden, was nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Voraussetzung für eine ärztliche Behandlung ist. Der eine Antragsteller gab an, unter starken Zahnschmerzen zu leiden, der andere verwies auf eine schwere Beinverletzung.

Mit Blick auf die angespannte Lage in der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen in Berlin hat die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin (ÄKB) währenddessen einen Forderungskatalog an den Senat gerichtet.

"Die Ärztekammer Berlin fordert, dass die gesundheitsgefährdenden Zustände bei der Erstregistrierung der in Berlin neu ankommenden Flüchtlinge umgehend abgestellt werden", so die abschließende Forderung der Kammerversammlung.

"Die in Berlin ankommenden Flüchtlinge haben noch vor der Registrierung einen uneingeschränkten Anspruch auf eine umfassende humanitäre und damit zugleich auch medizinische Versorgung", so die Berliner Kammer.

Am Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) und in den Erstaufnahmeeinrichtungen müsse eine hauptamtliche Erst- und Basisversorgung durch Haus- und Fachärzte durch vertragliche Vereinbarungen mit Hilfsorganisationen sichergestellt werden.

Sie müsse auch die sogenannte "Fast-Lane"-Behandlung besonders schutzbedürftiger Asylsuchender umfassen, so die Delegierten. Für je 500 Asylsuchende in der Anmelde- und Erstaufnahmesituation müssten ein Arzt und eine Medizinische Fachangestellte zum Einsatz kommen.

Impfungen entsprechend der STIKO-Empfehlung

Die dritte Forderung: Die Zentrale Impfstätte am LAGeSo müsse zu einer zentralen Untersuchungs- und Impfstelle ausgebaut werden, die auch die Tuberkulose-Diagnostik und die standardisierte Erstanamnese und Dokumentation der Untersuchungsbefunde vornimmt.

 Dabei müssten Impfungen altersgerecht und explizit nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) für Asylsuchende durchgeführt werden, so die vierte Forderung.

Zudem hält die Kammerversammlung es für dringend nötig, dass die bezirklichen Gesundheitsämter mit mehr Personal ausgestattet werden, damit sie den fortlaufenden Mehraufwand für Hygienemaßnahmen leisten und die rasche Integration asylsuchender Kinder und Jugendlicher in Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen garantieren können.

Außerdem fordern die Delegierten, dass in Berlin schnellstmöglich die Versicherungskarte für Flüchtlinge eingeführt wird. Sie dankten zugleich allen Freiwilligen und Hauptamtlichen, die sich an der Versorgung und Betreuung der Flüchtlinge in unterschiedlichster Weise beteiligen. "Ohne dieses überwältigende Engagement wäre eine Versorgung der Flüchtlinge nicht möglich."

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