Hilfe per Telefon

Mediziner dolmetschen beim Arztbesuch

Arzt und Patient verstehen kein Wort: Alltag für viele Mediziner bei der Behandlung von Flüchtlingen. Ein Unternehmen hat eine Lösung dafür gefunden.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Drei Mitarbeiter der ife Gesundheits AG bei der Arbeit: Ahmed Hashin und Chyar Sido (von links) dolmetschen für Praxen per Telefon.

Drei Mitarbeiter der ife Gesundheits AG bei der Arbeit: Ahmed Hashin und Chyar Sido (von links) dolmetschen für Praxen per Telefon.

© Dirk Schnack

NEHMTEN. Sieben Uhr morgens, zwei Stunden vor Dienstbeginn auf Gut Nehmten: Chyar Sido und Ahmed Hashim packen ihre Deutschbücher aus.

Die beiden Ärzte lernen jeden Morgen zwei Stunden lang Deutsch, bevor ihre deutschen Kollegen auf dem idyllisch gelegenen Landgut in Schleswig-Holstein eintreffen und ihre Arbeit aufnehmen.

Dann greifen auch Hashim und Sido zum Telefon. Während ihre deutschen Kollegen Fragen von Patienten beantworten, übersetzen die beiden Flüchtlinge, wenn es Sprachprobleme mit Flüchtlingen in schleswig-holsteinischen Arztpraxen gibt.

Diesen kostenlosen Dolmetscherdienst hat die auf Nehmten ansässige ife Gesundheits-AG ins Leben gerufen und dafür den aus Syrien stammenden Sido und Hashim aus dem Irak angestellt. Beide sind Mediziner und sprechen englisch, arabisch, türkisch, russisch, kurdisch - und seit kurzem auch deutsch.

Nische gefunden: Kostenloses Tele-Dolmetschen zwischen Arzt und Patient

Damit waren sie qualifiziert für die Leistungen, die die ife-Vorstände Ute Glahn und Dr. Ekko Schrader seit kurzem kostenlos zusätzlich zu ihrem Kerngeschäft anbieten und damit den beiden Ärzten die Integration in Deutschland erheblich erleichtern.

"Wir müssen etwas machen", waren sich die beiden einig, als im vergangenen Jahr immer mehr Menschen aus den Krisengebieten Syrien, Iran und Afghanistan nach Deutschland kamen.

Eine selbst initiierte Umfrage zeigte, dass viele niedergelassene Ärzte Probleme in der Kommunikation mit Flüchtlingen haben, die häufig weder Deutsch noch Englisch sprechen.

Weil in schleswig-holsteinischen Praxen meist keine Mitarbeiter Kurdisch oder Arabisch beherrschen, kamen viele Flüchtlinge erst in die Praxen, als sie jemanden zum Übersetzen gefunden hatten.

"Zum einen sind die dolmetschenden Landsleute durch diese Unterstützung oft komplett ausgelastet und schaffen es kaum noch, ihre eigenen Anliegen zu verfolgen. Zum anderen hat das zur Verzögerung notwendiger Behandlungen geführt, weil die kranken Flüchtlinge die Arztbesuche aufgeschoben haben, bis sie von einem Übersetzer begleitet werden konnten", sagt Dr. Thomas Schang.

Der ärztliche Leiter des Zentrums hat die Sprachbarriere als ungelöstes Problem und zugleich als Belastung des Sprechstundenablaufs erkannt. Durch Kontakte zu Ärztenetzen wurden Sido und Hashim gefunden.

Die Dolmetscher: Zwei Ärzte aus dem Irak

Hashim ist HNO-Arzt und stammt aus Bagdad. Dort hat er vor seiner Flucht in einer Klinik und in einer privaten Praxis gearbeitet. Sein Studium im Irak hat er in englischer Sprache absolviert. Im Juli 2015 kam er nach Deutschland, inzwischen mit seiner Familie. Über seinen Asylantrag ist noch nicht entschieden, seine Aufenthaltsgenehmigung muss vorerst alle sechs Monate verlängert werden. Hashim übersetzt derzeit noch auf Englisch, weil er mit dem Deutschunterricht bei null anfangen musste.  

Sido stammt aus dem syrischen Aleppo und hat in St. Petersburg eine abgeschlossene Ausbildung zum Allgemeinmediziner absolviert.

Sein mittelfristiges Ziel ist die Weiterbildung zum Chirurgen. Seit November 2014 lebt er in Schleswig-Holstein, engagiert sich in der Flüchtlingshilfe, und hat unter anderem viele Flüchtlinge zum Arzt begleitet.

Sidos Asyl-Anerkennungsverfahren ist abgeschlossen, er kann mindestens drei weitere Jahre in Deutschland bleiben. Er konnte bereits Deutsch, als er bei der ife begann und perfektioniert nun die Sprache.

Trotz seines Talents sagt er: "Deutsch ist eine schwere Sprache". Nun hoffen sie, dass sich die Nachfrage nach ihren Leistungen herumspricht, derzeit übersetzen sie erst rund fünf Mal am Tag. Beide sind dankbar für die neue Tätigkeit - langfristig wollen sie aber nicht am Telefon, sondern in ihrem Beruf am Patienten arbeiten.

ife Gesundheits AG für Praxen aus Schleswig-Holstein unter 04526/381370

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