Steiniger Weg: Karriere in der Forschung

Immer mehr junge Frauen beginnen ein Medizinstudium - doch nur wenige haben Spitzenpositionen in Forschung und Klinik. Zwar bieten Kliniken immer flexiblere Arbeitszeitmodelle, doch das hat oft nur wenig mit Frauenförderung zu tun.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
Forschung, Klinik und Familie? Die Organisation der Karriere ist oftmals ein Kraftakt.

Forschung, Klinik und Familie? Die Organisation der Karriere ist oftmals ein Kraftakt.

© shutterstock.com

Bei einem Blick in die Hörsäle von Erstsemestervorlesungen sind Männer seit Jahren in der Minderheit. Zum Wintersemester 2011/2012 starteten in der Humanmedizin rund 64 Prozent Frauen.

Fast alle von ihnen werden - hält der bisherige Trend an - den Studienabschluss erfolgreich ablegen. In den vergangenen Jahren stieg auch der Anteil der Frauen, die in der Medizin promovieren.

Laut Statistischem Bundesamt waren 37,6 Prozent der Promotionen in der Human- sowie Zahnmedizin im Jahr 1992 von Frauen, im Jahr 2009 waren 54,9 Prozent aller Promotionen von Frauen.

Auch bei den Habilitationen stieg der Frauenanteil im gleichen Zeitraum von 7,9 auf 20,2 Prozent.

So positiv die Statistiken klingen mögen - Frauenkarrieren in der Medizin und Forschung mit Leitungsfunktion sind weiterhin selten.

Denn bei der Interpretation der Zahlen zu Habilitationen fehlt oft der Zusatz, ob eine C4/W3-Professur mit oder ohne Leitungsfunktion ist.

Nur vier Prozent aller leitenden Professoren sind Frauen

Laut Daten des Portals "Landkarte Hochschulmedizin", das der Medizinische Fakultätentag mit dem Verband der Universitätsklinika Deutschland (VUD) betreibt, gibt es in Deutschland in der Human- sowie Zahnmedizin an allen 36 Fakultäten im Jahr 2008 im Schnitt 3,82 Professorinnen auf einer C4/W3 Professur mit Leitungsfunktion.

Spitzenreiter sind dabei die Universitäten Hamburg, Hannover und Ulm mit jeweils acht Professorinnen, danach folgen Freiburg mit sieben, Gießen, Berlin und Münster mit jeweils sechs.

Eine dieser C4-Professuren mit Leitungsfunktion hat Doris Henne-Bruns am Uniklinikum Ulm inne. "Natürlich werden die Zahlen bei Promotionen und auch Habilitationen steigen, wenn immer mehr Frauen ein Medizinstudium aufnehmen", erklärt Henne-Bruns.

Die 57-Jährige ist eine der wenigen Professorinnen für Chirurgie in Deutschland. Seit zehn Jahren ist sie die Ärztliche Direktorin der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Uniklinikum Ulm.

Sie war während ihrer Facharztausbildung fasziniert vom Fach, wollte das Operieren lernen und kämpfte sich als eine der wenigen Frauen in der Chirurgie durch den Klinikalltag.

Die Zehn-Elf-Stunden-Tage haben sich für die Mutter eines 16-jährigen Sohnes bis heute nicht verändert. "Die Faszination von der Arbeit in der Klinik und in der Wissenschaft trägt mich seit 30 Jahren durch den Beruf."

Mentorinnen und Netzwerke helfen

Faszination und Engagement für Klinik und Forschung hat auch Dr. Maike Pincus. Die 34-Jährige, die in der Klinik für Pädiatrie am Campus Virchow der Charité in Berlin arbeitet, forscht zu allergischen Erkrankungen wie Neurodermitis, Asthma bronchiale und Heuschnupfen und wie diese bereits im Mutterleib verhindert werden können.

Für ihre Arbeit wurde Pincus mehrfach ausgezeichnet - zuletzt mit dem Wissenschaftspreis des Deutschen Ärztinnenbundes.

In ihrer Karriere als Ärztin und Wissenschaftlerin konnte sie auf ein breites Unterstützungsnetzwerk setzen. "Ich habe Mentorinnen in der Wissenschaft und in der Klinik, die mich immer wieder unterstützt haben", sagt Pincus im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Aus ihrer Promotion, die sie zu großen Teilen mithilfe des Biomedical Science Exchange Programs (BMEP) in Kanada machen konnte, entwickelte sie mit ihrer Mentorin Folgeprojekte, mit denen sie immer wieder ihre Publikationsliste verlängerte.

Ihre erste Forschungsarbeit war am Ende ihres PJ beendet, sie konnte neue Sachmittelanträge und Bewerbungen für weitere Post-Doc-Programme stellen. Beispielweise bekam sie ein Stipendium der Nachwuchsakademie der Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG).

"Diese Programme sind sehr wichtig, weil sie auch von Forscherinnen mit Anfang 30 beantragt werden können. Wir brauchen mehr von diesen Programmen", sagt Pincus.

Kinder oder Karriere?

Ihre eigene Karriere sieht sie nun an einem Scheideweg: Die Mutter von zwei Kindern - das Jüngste kam vor vier Monaten auf die Welt - will nach Ende der Elternzeit ihr Habilitationsverfahren starten.

Dafür hat sie das Rahel-Hirsch-Stipendium erhalten, welches die Charité an Nachwuchsforscherinnen verleiht. "Ob der Weg für mich nun auch so reibungslos funktioniert, kann ich noch nicht abschätzen."

Die Karrieren von Professor Doris Henne-Bruns und von Dr. Maike Pincus trennen 23 Jahre - und doch empfinden beide ihren Alltag zwischen Forschung, Klinik und Familie als "Pionier-Arbeit".

"Für höhere Positionen in Kliniken und in der Forschung fehlen häufig die Rollenvorbilder für die jungen Kolleginnen", sagt Henne-Bruns.

Für Pincus ist es der Kampf um die Arbeitsbedingungen, bei denen die zweifache Mutter oft die Flexibilität vermisst. "Ich bin ja nicht die erste Mutter in der Klinik, und dennoch gibt es immer wieder Diskussionen über realisierbare Arbeitszeitmodelle", erzählt sie.

Ob die Kliniken mit den neuen Teilzeitregelungen familienfreundlicher und Chefs damit "moderner" werden, das bezweifelt Henne-Bruns. "Wir müssen uns eher fragen, warum es immer mehr Kompromisse bei den Arbeitszeitregeln gibt."

Viele Klinik-Personalchefs haben keine breite Auswahl an Ärzten und sind daher zu Kompromissen bei Arbeitszeitregelungen bereit.

"Wer Frauen mit Familie eine Chance gibt, tut das nicht immer, weil er einen Sinn für die Frauenförderung hat", gibt Henne-Bruns zu bedenken.

"Für viele Männer ist die Medizin als Beruf unattraktiv geworden. Sie gehen raus aus der kurativen Tätigkeit und in andere Funktionen wie das Klinikmanagement. Dort lassen sich noch Karrieren ohne Nachtdienste machen", erklärt Henne-Bruns.

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