Mehr Spielräume in den Regionen

Den Ärzten soll die Arbeit auf dem Land schmackhaft gemacht werden: Dafür setzt die Koalition auf finanzielle Anreize. Auch die Bedarfsplanung wird reformiert. Dafür werden den Regionen wieder mehr Spielräume gegeben. Jetzt sind die KVen am Zug.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Gesucht werden Landärzte: Mit Lichtprojektionen an prominenten Orten wie hier in Lübeck macht die KV Schleswig-Holstein aufmerksam.

Gesucht werden Landärzte: Mit Lichtprojektionen an prominenten Orten wie hier in Lübeck macht die KV Schleswig-Holstein aufmerksam.

© KVSH

Zu starr, zu großräumig - die heutige Bedarfsplanung steht seit langem in der Kritik. Vor allem deshalb, weil sie in Zeiten aufkommenden Ärztemangels als nicht mehr passend gilt.

Die heutigen Planungsregeln seien geschaffen worden, um die "Ärzteschwemme" der 90er Jahre zu regulieren, sagte der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Köhler, in Berlin.

Das hat auch die schwarz-gelbe Koalition anerkannt. Daher will sie bei der Bedarfsplanung nachjustieren.

Vor allem soll die bisherige starre Regel, dass die regionalen Planungsgebiete den Stadt- und Landkreisen entsprechen müssen, mit dem Versorgungsstrukturgesetz aufgehoben werden.

Länder haben ab 2012 einen Fuß in der Tür

Die großen Gewinner der Reform sind die Kassenärztlichen Vereinigungen. Sie erhalten wesentlich mehr Möglichkeiten, dem Ärztemangel entgegen zu wirken.

Sie erhalten zum Beispiel die Option, gemeinsam mit den Krankenkassen Strukturfonds einzurichten, aus denen sie "flexibel und ungebunden" Niederlassungen fördern können. Das könnte zum Beispiel Zuschläge für Ärzte bedeuten, die sich in unterversorgten Gebieten niederlassen möchten.

Das sagen die Anderen

"Ärzteversorgungsgesetz" und "Stärkungsgesetz" der KVen, schimpfte SPD-Politiker Karl Lauterbach über die Pläne der Koalition zur Bedarfsplanung. Die bestehende Fehlversorgung bleibe aber bestehen. Aus Sicht von SPD-Politikerin Elke Ferner müssten mehr Studienplätze geschaffen werden. Nur so könne man den Ärztemangel beheben. Das Gesetz sei "viel Zuckerbrot, wenig Peitsche", sagte GKV-Spitzenverbands-Vize Johann-Magnus von Stackelberg.

Den Ärzten sollen vor allem finanzielle Anreize das Arbeiten auf dem Land schmackhaft machen. Dazu gehört unter anderem, dass für diejenigen, die den Schritt aufs Land wagen, die Abstaffelung bei den Regelleistungsvolumina entfällt.

Dass die aktuelle Gesundheitsreform das Prinzip "Beratung vor Regress" stärkt, gilt zwar nicht nur auf dem Land, erleichtert aber auch dort die Arbeit.

Eine wesentliche Neuerung: Die Länder haben bei der Bedarfsplanung künftig einen Fuß in der Tür. Sie hatten schon 2010 immer wieder mit der Begründung, sie wüssten eben am besten, wo es vor Ort hakt, vehement mehr Rechte eingefordert.

Nun bekommen sie zwei Sitze in den zuständigen Gremien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA). Dort erhalten sie ein Mitberatungsrecht. "Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht auf Anwesenheit bei der Beschlussfassung", heißt es in dem Gesetz.

"Wir haben die Chance, im GBA und in den Landesausschüssen die Tagesordnungen mit zu bestimmen", sagte Hessens Sozialminister Stefan Grüttner im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". So könnten die Länder Probleme schneller zur Sprache bringen.

Aus Sicht des Gemeinsamen Bundesausschuss ist die Flexibilisierung der Bedarfsplanung ein notwendiger Schritt. Der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), Dr. Rainer Hess, betonte, es sei notwendig, den Regionen Spielräume zu geben, um dem jeweiligen Bedarf vor Ort Rechnung tragen zu können.

Bis Mitte 2012 soll der GBA Konzepte ausarbeiten

Doch die Mühlen der Selbstverwaltung mahlen langsam. So wird sich mit Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2012 konkret noch nichts ändern. Bis Mitte 2012 müsse der GBA Konzepte ausarbeiten, mit denen Versorgungslücken geschlossen werden können, sagt KBV-Chef Dr. Andreas Köhler.

Bisher hätten jedoch weder die Krankenkassen noch die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Patientenvertreter im GBA eigene Konzepte vorgelegt.

Daher geht die KBV mit einem eigenen Vorschlag als erste ins Rennen. Köhler geht daher davon aus, dass die Vorschläge der KBV Grundlage der Beratungen sein werden.

Das Versorgungsstrukturgesetz sieht vor, dass künftig bei der Bedarfsplanung die älter werdende Bevölkerung stärker berücksichtigt werden soll: Deshalb soll die Versorgung wohnortnah werden.

Künftig wolle man aber auch die Mitversorgung von Patienten aus anderen Planungsräumen stärker berücksichtigen. Dann müssten etwa Praxen in der Stadt, die Patienten vom Land behandeln, in den benachbarten Planungsbereich mit einkalkuliert werden.

Die KBV schlägt vor, statt 14 insgesamt 34 Arztgruppen in die Planung einzubeziehen. Die bisherige Regelung werde der Spezialisierung vieler Arztgruppen nicht gerecht, so Köhler. Künftig solle mit zunehmendem Spezialisierungsgrad der Ärzte und Psychotherapeuten auch die Größe der Planungsregion wachsen.

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