Muss die PKV um ihre Zukunft bangen?

Der politische Rückhalt der Privatassekuranz schwindet - nur noch die FDP steht an ihrer Seite. Auch in der Branche selbst gibt es Zweifel an der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells. Zuletzt haben die Versicherer mit Billigtarifen und Beitragsausfällen zu kämpfen gehabt.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

Den aktuellen Niedergang der FDP werden viele Manager in der privaten Krankenversicherung (PKV) mit Sorge betrachten. Laufen sie doch Gefahr, in der Politik die letzten Mitstreiter zu verlieren, die das klassische Modell der PKV mit Voll- und Zusatzversicherungen verteidigen.

Die PKV-Unternehmen sind daran gewöhnt, dass SPD, Grüne und Linke ihnen mit den unterschiedlichen Modellen der Bürgerversicherung das Wasser abgraben wollen. Doch auch in der CDU/CSU gibt es immer weniger Fürsprecher für den Fortbestand des dualen Systems.

Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Jens Spahn malte im ZDF-Magazin "Frontal 21" bereits das Ende der Dualität an die Wand.

"Ich glaube, dass wir bis 2020 wahrscheinlich diesen getrennten Versicherungsmarkt nicht mehr haben werden", sagte er.

Statt dessen wird es nach seiner Erwartung einen einheitlichen Krankenversicherungsmarkt geben, in dem Beamte, Selbstständige und gut Verdienende nicht länger in einem separaten System versichert sind. Was Spahn nicht will, ist "die Einheits-AOK für alle".

PKV-Direktor will GKV-Wähler

Das wird die PKV-Anbieter nur wenig trösten. Sie fürchten, dass sie in einem einheitlichen Markt mit einheitlichen Spielregeln von der Übermacht der gesetzlichen Kassen erdrückt werden.

Ob Dualität oder Bürgerversicherung: Auf unterschiedliche Weise würden beide das Aus für die private Vollversicherung bedeuten, die heute mit einem Anteil von 72 Prozent der Prämieneinnahmen mit Abstand das Hauptgeschäftsfeld der PKV ist.

Selbst Politiker, die aus ideologischen oder ordnungspolitischen Gründen für eine Stärkung der PKV sind, schrecken vor Maßnahmen zurück, die den privaten Anbietern nutzen und den Krankenkassen schaden.

"Ich werde lieber von 50 Prozent der GKV-Versicherten gewählt als von 100 Prozent der PKV-Versicherten", zitierte der Direktor des PKV-Verbands Dr. Volker Leienbach einen Politiker.

Der liberale Gesundheitsminister Daniel Bahr ist einer der wenigen, die sich noch offen zum dualen System bekennen.

"Wir brauchen Vielfalt im Gesundheitswesen", sagte er - nur um gleich Wasser in den PKV-Wein zu gießen. Die Branche müsse ihre Hausaufgaben machen und bereit zu Veränderungen sein, forderte er. "Es kann in der PKV nicht alles so bleiben, wie es ist."

Der Vorsitzende des PKV-Verbandes Reinhold Schulte betont: "Wir sind ein ernst zu nehmender Partner der Politik", sagte Schulte. Bislang hätten die Verfechter der Bürgerversicherung keine Antwort auf die Frage gegeben, wie das neue System finanziert werden solle.

"Persönlich bin ich der Meinung, dass eine Bundesregierung, egal welcher Couleur, bei einer Umstellung auf die Bürgerversicherung riesige Probleme mit den Menschen bekommen würde", sagte Schulte.

Die PKV habe in den beständig zugelegt, immer mehr Menschen würden sich für eine private Vollversicherung oder einen privaten Zusatzschutz entscheiden.

Vorteile von beiden System zusammenführen

Nach Ansicht des Gesundheitsökonomen Dr. Thomas Drabinski wird die Strategie des Festhaltens am Bewährten nicht erfolgreich sein. "Die Zeiten haben sich geändert", sagte der Leiter des Instituts für Mikrodaten-Analyse.

Er hält es für nötig, die Vorteile aus GKV und PKV zusammenzuführen und die Probleme beider Systeme zu beheben.

Manchen großen Versicherungskonzernen käme ein Aus für die private Vollversicherung nicht ungelegen. International tätige Gruppen wie Allianz, Generali und Munich Re haben wenig Freude am deutschen Modell der Vollversicherung.

Sie gilt als ertragsschwach, macht durch die politische Regulierung aber viel Ärger. Die Konzerne - wenn auch nicht die zu ihnen gehörenden PKV-Unternehmen - sehen den Markt der Zukunft eher in einem allgemeinen Basisschutz für alle, ergänzt durch private Zusatzversicherungen.

Das würde gravierende Folgen für das Geschäft der PKV haben. "Die Zusatzversicherungen können die Vollversicherung nicht ersetzen", sagte Uwe Laue, Chef des nach der Zahl der Vollversicherten größten PKV-Anbieters Debeka.

Würde das Neugeschäft gekappt, müssten die Unternehmen die Vertriebs- und Personalpolitik ändern und ihre Kostenstruktur verschlanken.

Die Schließung des Neugeschäfts müsse für die verbleibenden Kunden nicht unbedingt stark steigende Beiträge bedeuten, sagte Laue.

Keine große Chance zum Überleben?

Die Debeka hat simuliert, welche Auswirkungen es für die im Jahr 2009 erhobenen Beiträge gehabt hätte, wenn der Versicherer seit 1994 keine neuen Vollversicherten mehr bekommen hätte. Die Abweichungen betrugen lediglich ein bis zwei Prozent.

Das gelte aber nur für Unternehmen, die in der Vergangenheit kontinuierlich gewachsen sind und keine Vielzahl von Tarifen haben, zwischen denen die Versicherten wechseln können, so Laue.

"Wer Billigtarife hat und überproportional viele Nichtzahler und Versicherte im Basistarif, der wird Probleme bekommen."

Politische Entscheidungen werden erst nach der Wahl 2013 fallen. Die breite Debatte über die Bürgerversicherung könnte aber bereits 2012 das Geschäft der PKV beeinträchtigen, erwartet Drabinski.

"In der öffentlichen Meinung entsteht der Eindruck, dass die PKV keine große Überlebenswahrscheinlichkeit hat." Bevor sie von der GKV in die PKV wechseln, werden viele Versicherte erst einmal abwarten, schätzt er.

Provisions-Wildwuchs und Bonsai-Tarife - die Sünden der PKV

Konkurrenz um jeden kurzfristigen Vorteil hat die PKV in Verruf gebracht. Die Branche braucht ein Korsett.

Mit der gesetzlichen Deckelung der Provisionen und der Verlängerung der Stornohaftung hat die Politik den privaten Krankenversicherern die gelbe Karte gezeigt. Die Parlamentsmehrheit hat deutlich gemacht, dass sie Vertriebsexzesse zu Lasten der PKV-Kunden nicht länger hinnimmt.

Ab 1. April 2012 dürfen die PKV-Unternehmen nicht mehr als neun Monatsbeiträge Provision bezahlen. Die Stornohaftung beträgt künftig fünf statt maximal zwei Jahre: Kündigt der Kunde vor Ablauf dieser Frist den Vertrag, muss der Vermittler einen Teil der Provision zurückzahlen. Damit sollen Vertriebsexzesse zu Lasten der Versicherten wie die mehrmalige Umdeckung von Verträgen verhindern - Praktiken, die der Branche viel Kritik von Verbraucherschützern eingebracht haben.

Der Direktor des PKV-Verbands Dr. Volker Leienbach bewertete die neuen Regelungen vorsichtig optimistisch. "Es geht darum, Übertreibungen bei den Provisionen zu vermeiden, ohne jedoch die persönliche Beratung und Betreuung der Versicherten durch die Vermittler zu beeinträchtigen." Nach Leienbachs Einschätzung sind die neuen gesetzlichen Regelungen geeignet, Fehlanreizen zu begegnen.

Verbraucherschützer und einzelne PKV-Manager sind weniger zuversichtlich. Es gibt erste Berichte, dass einzelne Vertriebe bereits versuchen, durch geschickte Konstruktionen die neuen Vorschriften auszuhebeln. "Ich habe schon die ersten Anrufe bekommen", berichtete ein führender PKV-Manager.

Er hofft, dass sich die Branche nicht auf solche Angebote einlässt. Denn die neuen Regelungen waren ein Warnschuss an die PKV-Branche. "Wenn die Unternehmen die Deckelung umgehen, werden sie die Politik zum Feind haben", sagte er. Im nächsten Schritt könnte es der PKV richtig ans Leder gehen.

Unterdessen hat die Branche eine Qualitätsoffensive gestartet: Mit Mindeststandards soll das Image aufpolieren, das durch Billigpolicen angekratzt worden ist.

Im Wettbewerb um vollversicherte Kunden hatte eine Reihe von Anbietern mit Kampfprämien Policen auf den Markt gebracht, deren Leistungsumfang unter GKV-Niveau lagen. Hauptzielgruppe: Existenzgründer und andere Selbstständige, die sich in einer unsicheren wirtschaftlichen Lage befinden.

Innerhalb der Branche sind solche Tarife umstritten. "Wir brauchen keinen Bonsai-Versicherungsschutz", schimpfte Debeka-Vorstand Roland Weber. Seiner Ansicht nach sollten die Angebote vom Markt verschwinden.

Weber unterstützt die Idee, genau zu definieren, was zum Leistungsumfang einer privaten Vollversicherung gehören muss: auch ambulante Psychotherapie und der Abschied vom geschlossenen Hilfsmittelkatalog.

"Wir sind im Verband dabei, einen Mindeststandard zu entwickeln", sagte Reinhold Schulte, Vorsitzender des PKV-Verbands. Verschiedene Arbeitsgruppen würden sich mit dem Thema beschäftigen. Gleichzeitig sei die Branche in guten Gesprächen mit der Ärzteschaft. "Unser gemeinsames Ziel ist: gute Qualität zu angemessener, leistungsgerechter Honorierung." Für Schulte ist klar, dass die PKV sich positiv von der GKV abheben muss.

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