Patientenrechte im Bündel

Jetzt ist er da, der lange angekündigte Entwurf für ein Patientenrechtegesetz. Die Ärzteschaft kann aufatmen: es gibt keine generelle Beweislastumkehr. Für die Opposition völlig unzureichend.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Weniger Unsicherheit durch stärkere Patientenrechte.

Weniger Unsicherheit durch stärkere Patientenrechte.

© Haertle / fotolia.com

BERLIN. Mehr Transparenz und Rechtssicherheit für Patienten und Ärzte, ein neues Fundament für das gegenseitige Vertrauen von Patienten, Krankenkassen und Ärzten.

Das sind für Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und den Patientenbeauftragten der Bundesregierung Wolfgang Zöller die wichtigsten Ziele, die mit dem jetzt vorgelegten Entwurf für ein Patientenrechtegesetz verfolgt werden.

Die Regelungen im Einzelnen:

Behandlungsvertrag im Dienstleistungsrecht des BGB (Paragrafen 630 a bis h): Damit greift der Gesetzgeber vor allem die Rechtsprechung auf und stellt sie auf eine gemeinsame Grundlage.

Sie gilt nicht nur für Ärzte und Psychotherapeuten, sondern auch für Heilpraktiker, Hebammen, Ergo- und Physiotherapeuten, nicht jedoch Apotheker. Für ärztliche Leistungen gilt im Regelfall Facharztstandard.

Informationspflichten: Der Arzt muss dem Patienten verständlich Diagnose und Therapie erläutern und ihn auch über Behandlungsfehler informieren. Bei Eingriffen in den Körper, die Gesundheit oder Freiheit des Patienten ist dessen Einwilligung erforderlich.

Dem, muss eine umfassende Aufklärung vorgeschaltet sein. Sie muss mündlich erfolgen, ergänzend können dem Patienten schriftliche Informationen gegeben werden.

Der Arzt muss Patienten auf Kosten hinweisen, die nicht von Kassen übernommen werden (zum Beispiel Individuelle Gesundheitsleistungen).

Dokumentation: In der Patientenakte müssen alle Fakten aufgezeichnet werden, insbesondere Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen und deren Ergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkung, Einwilligungen, Aufklärungen und Arztbriefe. Der Patient kann Einsicht in die Akte verlangen, nach dessen Tod auch die Erben.

Beweislast: Aufklärung und Einwilligung muss grundsätzlich der Arzt beweisen. Unzureichende Aufklärung führt zu der Vermutung, dass der Patient dem Eingriff nicht zugestimmt hätte.

Mangelnde Eignung des Arztes führt ebenfalls zu der Vermutung, dass dies ursächlich für einen Schaden war. Ebenfalls kehrt sich bei groben Behandlungsfehlern die Beweislast um.

Leistungspflicht der GKV (Paragraf 13 Absatz 3a SGB V): Kann eine Kasse einen Antrag auf Leistungen nicht binnen drei (muss der MDK eingeschaltet werden: fünf) Wochen entscheiden, muss sie dies dem Versicherten mit Begründung mitteilen.

Versäumt die Kasse das, kann der Versicherte eine angemessene Frist setzen und erklären, dass er sich danach die Leistung selbst beschafft. Die Kosten dafür muss die Kasse erstatten.

Risiko- und Fehler-Management: Der Gemeinsame Bundesausschuss muss binnen zwölf Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Richtlinie zur Verbesserung der Patientensicherheit verabschieden.

Dazu gehören vor allem Mindeststandards für ein Risiko-Management und ein Fehler-Meldesystem in Krankenhäusern. Über die Umsetzung dieser Instrumente muss in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser informiert werden.

Reaktionen zum Referentenentwurf

Elisabeth Klein-Schmeinck, Fraktion Grüne: "Die beiden Minister sehen keine durchgreifenden Verbesserungen für Patienten vor, die Opfer eines Behandlungsfehlers oder- wie aktuell - von schädlichen Medizinprodukten wurden. Nach den jetzt veröffentlichten Vorschlägen muss auch weiterhin ein Patient, obwohl nachweislich ein Behandlungsfehler vorliegt, beweisen, dass dieser ursächlich für den erlittenen Schaden ist. Dieser Nachweis ist für einen Laien denkbar schwer zu führen und ist keine faire Rechtsposition."

Volker Leienbach, Direktor des Verbandes der Privaten Kranken versicherung: "Das Versicherungsvertragsgesetz ermöglicht es der PKV schon heute zusätzliche Dienstleistungen zur Unterstützung der Patienten, auch bei der Durchsetzung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Behandlungsleistungen. Die angestrebte Regelung eines Haftungssystems nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches ist für gesetzlich Versicherte zu begrüßen, für Privatversicherte gelten die BGB-Regeln schon jetzt."

Karl Lauterbach, SPD-Fraktion: "Der Entwurf ist eine düstere Grundlage für das weitere Verfahren. Ein wichtiges Thema wird so bearbeitet, dass am Schluss Ärzte und Patienten unzufrieden sein werden. Das Misstrauen der Patienten wird nicht behoben. Das Konkursrisiko der Ärzte, das ja eine zunehmend größere Rolle spielt, wird auch nicht angegangen. Statt der Beweislastumkehr wäre eine Fondslösung für Entschädigungsleistungen besser gewesen. Die SPD-Fraktion wird dieser Version nicht zustimmen".

Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer: "Den Paragrafen mit der Frage der Festlegung, was ein grober Behandlungsfehler ist, muss ein Jurist bewerten. Darüber hinaus entspricht der Gesetzentwurf im Wesentlichen dem, was wir mit dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung abgesprochen haben und ist eine Kodifizierung des bisherigen Rechtes. Wir sehen in dem gegenwärtigen Gesetzentwurf auf den ersten Blick eine Einlösung des Versprechens, das nicht gegen die Ärzte zu formulieren."

Christine Aschenberg-Dugnus, FDP-Fraktion: "Patienten sind zum Beispiel bei der Genehmigung von Gehhilfen auf eine zügige Entscheidung angewiesen. Oft erleben sie jedoch, dass eine für sie nicht nachvollziehbar lange Zeit verstreicht. Zukünftig können sich die Versicherten die Leistung, die Gehhilfe, selbst beschaffen und erhalten die entstandenen Kosten erstattet, wenn die Krankenkassen über einen Antrag auf eine Leistung nicht innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang entscheiden."

Das hat sich geändert

Zöller-Eckpunkte Länder-Eckpunkte Bayerns Eckpunkte Referentenentwurf
Zugang Patienten sollen das Recht auf unabhängige Beratung zu haben. Die Kassen, KVen und KZVen sollen verpflichtet werden, auf angemessene Terminvergaben in den Praxen hinzuwirken.
Behandlungsvertrag Die Regelung zu Behandlungsverträgen soll ins BGB aufgenommen werden und für sämtliche Heilberufe gelten. Der Vertrag soll für Patienten verständlich formuliert sein. Der Vertrag soll darüber hinaus eine "umfassende Erläuterung des Behandlungsverlaufs sowie die Kosten" enthalten. Evidenzbasierte Patienteninformationen sollen angeboten werden. In verständlicher Weise sollen sämtliche Umstände erläutert werden. Über "erkennbare" Behandlungsfehler soll der Arzt "auf Nachfrage" informieren.
IGeL Ein schriftlicher Vertrag soll zwingend sein. Zudem soll für die Leistungen eine Preisgrenze von 50 Prozent über dem "marktüblichen Preis" gelten.
Sprechende Medizin Die sprechende Medizin soll gestärkt werden, indem sie in der Ausbildung berücksichtigt und in der Approbationsordnung sowie in den Weiterbildungsordnungen verankert wird.
Dokumentation Patienten sollen das Recht erhalten, in ihre eigene Patientenakte sehen zu dürfen. Kopien müssen sie selbst zahlen. Änderungen an (elektronischen) Patientenakten sollen außerdem vollständig protokolliert werden. Dokumentationsmängel sollen zur Beweislastumkehr im Schadensfall führen. Die Patientenakte soll verpflichtend sein, bei Änderungen soll der Ursprung erkennbar bleiben. Sie muss mindestens zehn Jahre aufbewahrt werden. Patienten sollen die Akte jederzeit und "unverzüglich" einsehen dürfen, solange "nicht erhebliche therapeutische Gründe oder Rechte Dritter entgegenstehen". Kopien soll er selbst bezahlen müssen.
Patientenbrief Als Pendant zum Arztbrief soll er Patienten zu einer Behandlung ausgehändigt werden, wenn Diagnosen neu gestellt oder verändert werden. Die Sprache soll patientengerecht sein.
Beschwerden Für Kliniken soll das Beschwerdemanagement verbindlich werden. Optional können die Häuser Patientenfürsprecher einstellen. Zusätzlich soll die Regelung auf Pflegeheime ausgeweitet werden. Unabhängige Patientenfürsprecher sollen an allen Krankenhäusern etabliert werden. Der GBA soll Mindeststandards für Risikomanagement und Fehlermeldesysteme festlegen. Kliniken sollen über die Umsetzung in den Qualitätsberichten informieren. Sie sollen einen durch den GBA festgelegen Vergütungszuschlag erhalten, wenn die Systeme vom GBA definierte Anforderungen erfüllen.
Fehlervermeidung Kliniken und Praxen sollen Anreize zur Erfassung von Fehlern erhalten. Der GBA soll einheitliche Regeln für Risiko- und Fehlermeldesystem erarbeiten. Die Meldesystem sollen darüber hinaus vor dem Rechtszugriff geschützt werden. Haftpflichtversicherungen sollen ihre Daten anonymisiert an Bund und Länder weiterleiten. Das Fehler- und Risikomanagement soll ambulant und stationär zur Pflicht werden. Die Kliniken sollen die Daten in ihren Qualitätsberichten veröffentlichen.
Haftung Die Rechtssprechung soll kodifiziert werden. Für Fehler, die dem Gefahrenbereich des Therapeuten zugerechnet werden können, soll die Beweislastumkehr gelten. Von einem Fehler des Arztes soll ausgegangen werden, wenn eine Komplikation beherrschbar gewesen wäre, der Folgeschaden "grob" war, der Arzt nicht die nötige Qualifikation für den Eingriff hatte, er den den Patienten nicht aufgeklärt, oder die Dokumentation darüber nicht aufbewahrt hat.
Härtefallfonds Ein Fonds soll Patienten finanziell unterstützen, die in einem zugelassenen Krankenhaus ohne Nachweis des Verschuldens zu Schaden kommt, erheblich geschädigt wird, oder deren Durchsetzung des Schadensersatzanspruches zu lange dauern würde. Die Bundesregierung soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe für den Fonds etablieren.
Unterstützung Kranken- und Pflegekassen sollen ihre Versichten bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen unterstützen. Die Unterstützung durch Gutachten des MDK soll als gesetzliche Leistung festgelegt werden. Gutachter sollen keine Verbindung zu einer der Parteien oder Interessenkollisionen haben. Die Ärztekammern sollen einen Gutachterpool aufstellen. Statt der Kann-Vorschrift sollen die Kassen Versicherte künftig in Fällen nach Paragraf 66 SGB V unterstützen.
Krankenkassen Für antragspflichtige Leistungen sollen Fristen eingeführt werden. Entscheidet die Krankenkasse nicht innerhalb des Zeitraums, können sich die Versicherten die Leistung selbst beschaffen. Über antragspflichte Leistungen soll in drei und über gutachterpflichtige Leistungen in fünf Wochen entschieden werden. Kann die Kasse das nicht, sollen die Versicherten zunächst eine Frist setzen. Nach deren Ablauf sollen sie sich die Leistung zu Lasten der Kasse selbst beschaffen dürfen.
GBA Patienten sollen an "sie betreffenden Entscheidungen" des GBA und "weiterer Gremien" der GKV beteiligt werden. Dazu sollen die Verbände sachkundige Personen benennen. Darüber hinaus soll den Patientenvertretern im GBA ein Stimmrecht bei Verfahrensfragen eingeräumt werden. Geschulte und "legitimierte" Patientenvertreter sollen ein Stimmrecht bei Beschlüssen des erhalten. Patientenorganisationen sollen auf Landesebene an den Bedarfsplänen mitarbeiten dürfen.

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