Debatte im Bundestag

Patientenrechte auf dem Weg ins BGB

Patienten aufklären und deren Akten sorgfältig führen, das müssen Ärzte schon heute. Mit dem Patientenrechtegesetz sollen diese Pflichten Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches werden. Heute berät der Bundestag darüber.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Bald mit Patientenrechten? Das BGB mit braunem Einband.

Bald mit Patientenrechten? Das BGB mit braunem Einband.

© Jochen Tack / imago

BERLIN. Rund 500 Millionen Mal im Jahr erbringen Ärzte Leistungen für gesetzlich Versicherte. Welche Rechte die Patienten in diesen im Moment der Behandlung entstehenden, dienstvertraglichen Beziehungen haben, ist bislang nicht Thema des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

"Über die Haltung von Bienenschwärmen gibt es mehr Vorschriften", kommentierte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) diesen weißen Fleck auf der Rechtslandkarte im vergangenen Jahr.

Das soll sich ändern. Am heutigen Freitag erreicht der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten, kurz Patientenrechtegesetz, das Plenum des Bundestages.

Die Abgeordneten werden sich in erster Lesung auch mit den acht neuen Paragrafen im BGB auseinandersetzen, die dort die bislang in verschiedenen Gesetzen und berufsrechtlichen Regelungen verstreuten Rechte und Pflichten von Ärzten und Patienten zusammenfassen.

Wird der Entwurf Gesetz, sind Aufklärungs- und Dokumentationspflichten von Ärzten künftig Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches. Vor einer Behandlung hat der Patient Anspruch, vom Arzt Diagnose und geplante Therapie so erläutert zu bekommen, dass er sie verstehen kann.

Dokumentationspflicht für Ärzte

Vor Operationen soll der Operateur persönlich oder ein Arzt, der einen solchen Eingriff ebenfalls vornehmen könnte, den Patienten rechtzeitig und in für den Patienten nachvollziehbaren Begriffen über alle Risiken und Folgen informieren und seine Einwilligung einholen.

In ihre bei den Ärzten geführten Akten sollen die Patienten oder ihre Erben künftig Einsicht nehmen können.

Die Akte soll alle Fakten enthalten, insbesondere Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen und deren Ergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Einwilligungen, Aufklärungen und Arztbriefe.

Das hat Auswirkungen auf die Beweislast. Wurde ein Patient nicht ausreichend aufgeklärt, schwächt dies die Rechtsposition des Arztes.

Fehlt künftig eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme oder ihr Ergebnis in den Akten, gilt die Vermutung, dass der Arzt sie gar nicht vorgenommen hat.

Bei groben Behandlungsfehlern dreht sich die Beweislast ohnehin um. Dann muss der Arzt beweisen, dass seine Behandlung nicht Ursache eines Schadens beim Patienten war. Das alles soll künftig im BGB stehen, galt so aber auch schon in der bisherigen Rechtsprechung.

Kritik von Verbraucherschützern

Für den CDU-Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel, Berichterstatter seiner Fraktion im Gesetzgebungsverfahren, ist vor allem die Aufnahme der Dokumentationspflicht ein Ansatz für mehr Rechtssicherheit für Ärzte und Patienten.

"Wir sind davon überzeugt, so ein wirksames Instrument gegen langwierige Arzthaftungsprozesse entwickelt zu haben", sagte Rüddel am Dienstag.

Das Patientenrechtegesetz gehe die ärztlichen Dokumentationspflichten viel zu lasch an, sagt dagegen der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Professor Karl Lauterbach.

Ärzte manipulierten die Daten darin häufig nachträglich und schwächten damit die Positionen geschädigter Patienten.

Eine Stärkung der Patientenrechte mag auch Susanne Mauersberg von der Verbraucherzentrale Bundesverband darin nicht zu entdecken. "Die Beweislast liegt zu 100 Prozent beim Patienten, die Beweismittel hält zu 100 Prozent der Arzt," sagt Mauersberg.

Eugen Brysch, Chef der Deutschen Hospiz Stiftung warnt: "Solange eine Akte nicht im Rechtsverkehr ist, kann der Arzt mit der Akte machen, was er will." Diese Form von Manipulation sei nicht einmal eine Ordnungswidrigkeit.

Für weite Teile der Opposition hätten die Patienten auch dann eine stärkere Position erhalten, wenn sich die Koalition dazu durchgerungen hätte, einen Härtefallfonds einzurichten, entweder aus Mitteln der gesetzlichen Krankenkasse oder als Stiftung.

Mit Fristen entscheiden

Denn der Gesetzentwurf schließt nicht aus, dass ein Patient nicht zu seinem Recht kommt, obwohl seinem Arzt ein Behandlungsfehler nachgewiesen werden kann.

Abgeordnete und Verbandsvertreter gehen davon aus, dass das sich abzeichnende Gesetz sich vor allem bei der Verteilung der Beweislast schon bald weiterentwickeln dürfte.

Weiße Flecken gibt es noch genug. So ist der große Leistungssektor der Pflege im Gesetz nicht berücksichtigt. Den betroffenen Frauen im Skandal um die Brustimplantate hätte das Gesetz nichts genützt, weil Medizinprodukte anders als Arzneimittel behandelt werden.

Kann das Gesetz Patienten sogar schaden? Der Entwurf sieht eine Änderung im SGB V vor, dass sich Versicherte Leistungen dann selbst auf Kosten der Kasse besorgen können, wenn die Kasse einen Antrag nicht binnen drei, oder mit MDK-Gutachten nicht binnen fünf Wochen bearbeitet hat.

Diese Fristen seien unrealistisch kurz, hat dazu der Vorsitzende Richter am Bundessozialgericht, Professor Ulrich Wenner, festgestellt.

Kassenmitarbeiter müssten dann auf unsicherer Grundlage entscheiden, sagt Wenner. Sie ständen vor der Frage, ob es für sie härtere Konsequenzen habe, die Frist verstreichen zu lassen, oder den Versicherten die Leistung in dem Wissen zu versagen, einen fachlichen Fehler zu begehen.

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