Gentest bringt Abgeordnete in Gewissenskonflikte

Die bevorstehende Entscheidung treibt viele Abgeordnete in den ethischen Zwiespalt: Beim Streit um Zulassung oder Verbot der Präimplantationsdiagnostik geht es auch um den Preis des Fortschritts und das Bild von uns selbst.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Unter dem Mikroskop werden Spermien in Eizellen injiziert: Der Bundestag entscheidet heute, ob die PID zulässig oder verboten sein soll.

Unter dem Mikroskop werden Spermien in Eizellen injiziert: Der Bundestag entscheidet heute, ob die PID zulässig oder verboten sein soll.

© dpa

BERLIN. Es wird eine ungewöhnliche Debatte, wenn der Bundestag am Donnerstag über das Verbot oder die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) entscheidet. Mehr als vier Stunden sind für Debatte und Abstimmung angesetzt. Fraktionszwang für die 621 Abgeordneten existiert am Donnerstagmorgen nicht.

"Ich ringe fürchterlich", bekennt der CDU-Abgeordnete Norbert Barthle, der - obwohl "guter Katholik" - zögert, sich für ein Totalverbot der PID auszusprechen. So wie ihm geht noch etwa 180 Parlamentariern, die sich bislang keinem der drei Anträge angeschlossen haben:

Mit 218 Unterzeichnern die bislang meisten Stimmen hat der Entwurf von Ulrike Flach (FDP) und Peter Hintze (CDU). Sie sprechen sich für eine Zulassung der PID aus.

196 Abgeordnete haben sich bisher dem Entwurf von Johannes Singhammer (CSU) und Birgitt Bender (Grüne) angeschlossen, die für ein vollständiges Verbot der PID votieren.

36 Abgeordnete haben sich für den Entwurf von René Röspel (SPD), Priska Hinz (Grüne) und Norbert Lammert (CDU) ausgesprochen. Danach wird die PID regelhaft verboten. Zulässig soll sie nur dann sein, wenn bei den Eltern oder einem Elternteil eine Disposition vorliegt, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu Fehl- oder Totgeburten führen kann.

Kirchen sind gegen die PID-Zulassung

Genauso vielstimmig wie der Bundestag ist auch die Positionierung von gesellschaftlichen Gruppen. Die Kirchen - sowohl die katholische Bischofskonferenz wie die EKD - haben sich gegen die Zulassung der PID ausgesprochen.

Diese Technik gehe "aus sich heraus mit Selektion und damit der Tötung von menschlichem Leben einher", warnte die Bischofskonferenz. Auch die EKD lehnt eine generelle Zulassung ab, differenziert aber.

Einige Ratsmitglieder vertreten die Auffassung, ein Test mit dem Ziel, "lebensfähige Embryonen zu identifizieren", sei verantwortbar, da es in dieser Konstellation gerade nicht "um die Frage von Krankheit und Gesundheit, von behindert und nicht behindert" gehe.

BÄK-Plädoyer für die PID

Anders hat sich die Bundesärztekammer (BÄK) in einem Memorandum zur PID festgelegt. Sie plädiert dafür, die Gentests "in bestimmten Grenzen und unter kontrollierten Voraussetzungen zuzulassen".

Dabei gehe es um ungefähr zehn Indikationen und etwa 200 betroffene Paare pro Jahr, sagt der Transplantationsmediziner Professor Eckhard Nagel, der Mitglied des Deutschen Ethikrats ist.

Nagel und die BÄK weisen die Befürchtung eines "Dammbruchs", der ständigen Indikationsausweitung, zurück. Dagegen sprächen internationale Erfahrungen.

Den Einwand, die PID diskriminiere Behinderte, nimmt die BÄK zwar Ernst. Doch dieser müsse dann "erst recht gegen die Pränataldiagnostik mit nachfolgendem Schwangerschaftsabbruch erhoben werden".

Gegner der PID weisen dieses "Nötigungsargument" zurück und mahnen eine Überprüfung der Pränataldiagnostik an.

Die "Ärzte Zeitung" hat die Initiatoren der drei Gesetzentwürfe gebeten, pointiert zentrale Elemente ihres Vorschlags zu begründen.

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